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Küssen will gelernt sein: Roman (German Edition)

Küssen will gelernt sein: Roman (German Edition)

Titel: Küssen will gelernt sein: Roman (German Edition)
Autoren: Rachel Gibson
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PROLOG
    Der rote Schein eines Heizgerätes fiel auf Henry Shaws zerfurchtes Gesicht, während die warme Frühlingsbrise das Wiehern seiner geliebten Appaloosas zu ihm herüberwehte. Er steckte eine alte Kassette in den Rekorder, und die tiefe, vom Whiskey raue Stimme Johnny Cashs erfüllte den kleinen Sattelschuppen. Bevor Johnny zum Glauben gefunden hatte, war er ein richtiger Säufer gewesen. Ein harter Bursche, das hatte Henry gefallen. Doch dann hatte Johnny Jesus und June für sich entdeckt, und seine Karriere war den Bach runtergegangen. Das Leben verlief nicht immer nach Plan. Gott, Frauen und Krankheiten verstanden es, einem dazwischenzufunken. Und Henry hasste alles, was seine Pläne durchkreuzte.
    Er hasste es, keine Kontrolle zu haben.
    Er schenkte sich einen Bourbon ein und schaute durch das kleine Fenster über seiner Werkbank nach draußen. Die untergehende Sonne hing dicht über Shaw Mountain, dem Berg, der nach Henrys Vorfahren benannt war, die sich einst in dem fruchtbaren Tal darunter niedergelassen hatten. Spitze, graue Schatten durchschnitten das Tal zum Lake Mary, dem See, der nach Henrys Ururgroßmutter Mary Shaw benannt war.
    Noch mehr als Gott, Krankheiten und Kontrollverlust hasste Henry Ärzte. Sie stocherten und bohrten so lange, bis sie etwas fanden, und sagten einem nie, was man hören wollte. Jedes Mal hatte er versucht, sie vom Gegenteil zu überzeugen, doch letztlich hatte er kapitulieren müssen.
    Henry goss Leinöl über alte Baumwolllumpen und warf sie in einen Pappkarton. In seinem Alter hatte er schon eine ganze Schar Enkel haben wollen, doch er hatte keinen einzigen. Er war der letzte Shaw. Der letzte in der langen Reihe einer seit jeher angesehenen Familie. Die Shaws waren fast ausgestorben, und das quälte ihn. Er hatte keinen männlichen Erben, wenn er tot war … Keinen außer Nick.
    Er sank auf einen alten Bürostuhl und hob den Bourbon an seine Lippen. Er hätte als Erster zugegeben, dass er dem Jungen unrecht getan hatte. Schon seit Jahren hatte er versucht, es bei seinem Sohn wiedergutzumachen. Aber Nick war stur und unversöhnlich. Genau wie er schon als Kind trotzig und wenig liebenswert gewesen war.
    Wenn Henry mehr Zeit bliebe, ließe sich bestimmt noch eine Einigung mit seinem Sohn finden. Doch ihm blieb keine Zeit mehr, und Nick machte es ihm nicht leicht. Nick machte es ihm sogar verdammt schwer, ihn auch nur zu mögen.
    Er dachte an den Tag zurück, als Nicks Mutter, Benita Allegrezza, an seine Haustür gehämmert und behauptet hatte, dass Henry der Vater des schwarzhaarigen Babys wäre, das sie in den Armen hielt. Henry hatte sich von Benitas dunklem Blick abgewandt und in die großen, blauen Augen seiner Frau Ruth gesehen, die neben ihm gestanden hatte.
    Er hatte es nach Kräften abgestritten. Dabei wäre es durchaus möglich gewesen, dass Benitas Behauptung der Wahrheit entsprach, doch selbst das hatte er geleugnet. Selbst wenn Henry nicht verheiratet gewesen wäre, hätte er nie mit einer Baskin ein Kind haben wollen. Dieser Menschenschlag war für seinen Geschmack zu dunkelhäutig, zu impulsiv und zu religiös, und er hatte sich immer weiße Babys mit blonden Haaren gewünscht. Er wollte nicht, dass seine Kinder für illegale mexikanische Einwanderer gehalten wurden. Klar wusste er,
dass Basken keine Mexikaner waren, aber für ihn sahen sie alle gleich aus.
    Und wäre Benitas Bruder Josu nicht gewesen, hätte auch kein Mensch von seiner Affäre mit der jungen Witwe erfahren. Aber dieser Schafe besteigende Scheißkerl hatte ihn erpressen wollen, Nick als seinen Sohn anzuerkennen. Zunächst hatte Henry es für einen Bluff gehalten, als der Mann zu ihm gekommen war und gedroht hatte, in der Stadt herumzuerzählen, dass Henry seine trauernde Schwester ausgenutzt und ihr ein Kind gemacht hatte. Er hatte die Drohung ignoriert, doch Josu hatte nicht geblufft. Trotzdem hatte Henry die Vaterschaft bestritten.
    Doch mit fünf sah Nick den Shaws so ähnlich, dass Henry niemand mehr glaubte. Nicht einmal Ruth. Sie hatte sich von ihm scheiden lassen und die Hälfte seines Vermögens eingesackt.
    Doch damals hatte er noch Zeit. Er war Ende dreißig. Immer noch ein junger Mann.
    Henry nahm einen 357er-Revolver in die Hand und ließ sechs Kugeln in die Walze gleiten. Nach Ruth hatte er sich seine zweite Frau Gwen gesucht. Obwohl Gwen eine mittellose ledige Mutter von zweifelhafter Herkunft war, hatte er sie aus zwei Gründen geheiratet. Sie war ganz offensichtlich nicht
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