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Küssen will gelernt sein: Roman (German Edition)

Küssen will gelernt sein: Roman (German Edition)

Titel: Küssen will gelernt sein: Roman (German Edition)
Autoren: Rachel Gibson
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Nick die Lippen bewegte und sich rasch bekreuzigte. Natürlich war er katholisch, genau wie die anderen baskischen Familien in der Gegend. Trotzdem kam ihr der Anblick gotteslästerlich vor, wie sich ein langhaariger und einen Ohrring tragender Biker mit einer so unverhohlen sexuellen Ausstrahlung bekreuzigte wie ein Priester. Und dann, als hätte er den ganzen Tag Zeit, musterte er Delaney eingehend, betrachtete erst ihr Kostüm und sah dann hoch zu ihrem Gesicht. In seinen Augen flackerte etwas auf, das jedoch genauso schnell wieder erlosch, und er wurde von einer blonden Frau mit einem pinkfarbenen Trägerkleid abgelenkt, die neben ihm stand. Sie reckte sich auf die Zehenspitzen und flüsterte ihm etwas ins Ohr.
    Die Trauergäste drängten sich um Delaney und ihre Mutter, um ihnen ihr Beileid auszusprechen, bevor sie zu ihren Wagen gingen. Sie verlor Nick aus den Augen und wandte sich den Menschen zu, die an ihr vorbeischritten. Sie kannte die meisten von Henrys Freunden, die stehen blieben, um ein paar Worte mit ihr zu wechseln, sah jedoch nur wenige Gesichter unter fünfzig. Sie lächelte, nickte und schüttelte Hände und hasste jede Minute, in der sie mit prüfenden Blicken gemustert wurde. Sie wollte allein sein, damit sie über Henry und die guten Zeiten mit ihm nachdenken konnte. Sie wollte sich an Henry erinnern, bevor sie sich gegenseitig so furchtbar enttäuscht hatten. Doch sie wusste, dass sie erst viel später dazu Gelegenheit hätte. Sie war emotional erschöpft, und als ihre Mutter und sie sich endlich zu der Limousine begaben, die sie wieder nach Hause fahren sollte, wollte sie nichts lieber, als sich in einer Höhle verkriechen.
    Das Grollen von Nicks Harley erregte ihre Aufmerksamkeit, und sie warf ihm noch einen Blick über die Schulter zu. Er ließ den Motor zweimal aufheulen, wendete und brauste mit der großen Maschine davon. Delaney zog irritiert die Augenbrauen zusammen, als er an ihr vorbeischoss, und fixierte die Blondine, die sich fest an seinen Rücken drückte. Er hatte doch tatsächlich auf Henrys Beerdigung eine Frau aufgerissen, sie abgeschleppt wie auf einer Kneipentour. Delaney kannte sie nicht, war im Grunde aber nicht überrascht, dass Nick die Beerdigung mit einer Tussi im Schlepptau verließ. Ihm war nichts heilig. Für ihn galten keine Verbote.
    Sie stieg in die Limousine und versank in den eleganten Samtsitzen. Henry war tot, und nichts hatte sich geändert.
    »Das war eine wirklich schöne Trauerfeier, findest du nicht?«, unterbrach Gwen Delaneys Gedanken, während der Wagen sich vom Friedhof entfernte und in Richtung Highway 55 fuhr.
    Delaney hielt den Blick auf den Lake Mary gerichtet, der ab und zu blau durch den dichten Kiefernwald aufblitzte. »Ja«, antwortete sie und wandte ihre Aufmerksamkeit ihrer Mutter zu. »Sie war wirklich schön.«
    »Henry hat dich geliebt. Er konnte nur keine Kompromisse machen.«
    Diese Diskussion hatten sie schon oft geführt, und Delaney hatte keine Lust, darüber zu sprechen. Das Gespräch begann und endete immer gleich, ohne dass dabei etwas herauskam. »Was glaubst du, wie viele Leute werden kommen?«, fragte sie, womit sie das Beisammensein nach der Beerdigung meinte.
    »Fast alle, denke ich.« Gwen streckte die Hand nach ihr aus und strich Delaney die Haare hinter die Ohren.
    Delaney hätte es nicht verwundert, wenn ihre Mutter sich die Finger befeuchtet und ihr Locken aus Spucke in die Stirn gelegt hätte, so wie früher, als Delaney noch ein Kind war. Damals hatte sie das gehasst, und das war heute nicht anders. Dieses ständige Zurechtzupfen, als wäre sie nicht gut genug, so wie sie war. Das ständige Getue, als könnte man sie zu etwas machen, was sie nicht war.
    Nein. Nichts hatte sich geändert.
    »Ich freue mich so, dass du zu Hause bist, Laney.«
    Delaney hatte das Gefühl zu ersticken und drückte auf den elektrischen Fensterheber. Sie atmete die frische Bergluft ein und stieß sie langsam wieder aus. Nur zwei Tage, sagte sie sich. In zwei Tagen konnte sie wieder nach Hause fahren.
    Letzte Woche hatte man sie benachrichtigt, dass sie in Henrys Testament bedacht worden war. Wenn man die Umstände berücksichtigte, unter denen sie auseinandergegangen waren, konnte sie sich das nicht erklären. Sie fragte sich, ob er auch Nick bedacht hatte oder ob er seinen Sohn selbst nach seinem Tod noch ignorierte.
    Sie überlegte kurz, ob Henry ihr Geld oder Immobilien hinterlassen hatte. Viel wahrscheinlicher war es irgendein
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