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Küssen will gelernt sein: Roman (German Edition)

Küssen will gelernt sein: Roman (German Edition)

Titel: Küssen will gelernt sein: Roman (German Edition)
Autoren: Rachel Gibson
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Zwillingsecktürmen und dem Giebeldach hatte sie geglaubt, in einen Palast zu ziehen, was bedeutete, dass Henry ein König sein musste. Das Herrenhaus war auf drei Seiten von Wald umgeben, der zugunsten eines wunderschön angelegten Gartens zurückgeschnitten worden war, während der Garten hinter dem Haus sanft zu den kühlen Wassern des Lake Mary abfiel.
    Innerhalb weniger Stunden hatte Delaney ihre ärmlichen Verhältnisse hinter sich gelassen und war mitten in einem Märchen gelandet. Ihre Mutter war glücklich, und Delaney kam sich vor wie eine Prinzessin. Und an jenem Tag, als sie in einem weißen Rüschenkleid, das sie auf Druck ihrer Mutter hin hatte tragen müssen, auf der Treppe saß, verliebte sie sich in Henry Shaw. Er war älter als die bisherigen Männer im Leben ihrer Mutter – und auch netter. Er schrie Delaney nicht an und brachte ihre Mutter nicht zum Weinen. Er gab ihr das Gefühl, sicher und geborgen zu sein, wie sie es in ihrem jungen Leben bisher nur allzu selten erfahren hatte. Er hatte sie adoptiert, und er war der einzige Vater, den sie je gekannt hatte. Aus diesen Gründen liebte sie Henry und würde es auch immer tun.
    An jenem Tag hatte sie auch Nick Allegrezza zum ersten Mal gesehen. Er war mit vor Hass glühenden Augen und Wutflecken auf den Wangen aus den Büschen in Henrys Garten gesprungen. Er hatte ihr Angst eingejagt, und doch war sie zugleich von ihm fasziniert gewesen. Nick war ein schöner Junge mit schwarzen Haaren, glatter, gebräunter Haut und rauchgrauen Augen.
    Er hatte im Kreuzdorn gestanden, die Arme an den Körper gepresst, steif vor Wut und Trotz, und sein baskisch-irisches Rebellenblut war durch seine Adern gerast. Er hatte die beiden finster angestarrt und mit Henry gesprochen. Jahre später konnte sich Delaney zwar nicht mehr an den genauen Wortlaut erinnern, doch seinen Zorn würde sie nie vergessen.
    »Halt dich von ihm fern«, hatte Henry gesagt, als Nick sich umdrehte und erhobenen Hauptes davonstolzierte.
    Es sollte nicht das letzte Mal sein, dass er sie vor Nick warnen würde, doch Jahre später war es die einzige Warnung, auf die sie lieber hätte hören sollen.
    Nick zog seine Levi’s an und stand auf, um sich den Hosenstall zuzuknöpfen. Er warf einen Blick über die Schulter auf die Frau, die in Laken gewickelt im Bett lag, das blonde Haar fächerförmig auf dem Kissen ausgebreitet. Sie hielt die Augen geschlossen und atmete leicht und ruhig. Gail Oliver war die Tochter eines Richters und frisch geschiedene Mutter eines kleinen Sohnes. Um das Aus ihrer Ehe zu feiern, hatte sie sich am Bauch das Fett absaugen und sich Brustimplantate aus Kochsalzlösung machen lassen. Auf Henrys Beerdigung war sie ganz unverfroren an ihn herangetreten und hatte verkündet, dass er der Erste sein sollte, der ihren neuen Körper sah. Am Ausdruck in ihren Augen erkannte er, dass er sich geschmeichelt fühlen sollte. Tat er aber nicht. Er hatte nur eine Ablenkung gesucht, und die hatte sie ihm geboten. Sie hatte zwar beleidigt getan, als er mit der Harley vor dem Starlight Motel anhielt, aber nicht von ihm verlangt, sie mit nach Hause zu nehmen.
    Nick wandte sich von der Frau im Bett ab und lief über den grünen Teppich zu einer Schiebetür aus Glas, die auf eine kleine Terrasse mit Blick auf den Highway 55 führte. Er hatte eigentlich nicht vorgehabt, an der Beerdigung seines alten Herrn teilzunehmen, und wusste immer noch nicht genau, wie es dazu gekommen war. Eben noch hatte er in Crescent Beach gestanden und mit einem Subunternehmer Baupläne durchgesprochen, und bevor er sich’s versah, saß er schon auf seiner Harley und brauste zum Friedhof. Dabei hatte er gar nicht hingehen wollen. Er hatte gewusst, dass er eine Persona non grata war, doch er war trotzdem hingefahren. Aus irgendeinem Grund, den er nicht zu genau analysieren wollte, hatte er sich verabschieden müssen.
    Er trat in eine Ecke der Terrasse, weg vom Licht, das auf die Holzplanken strömte, und war rasch in Dunkelheit getaucht. Reverend Tippet hatte kaum das Wort »Amen« gesagt, da hatte
Gail in ihrem hauchdünnen Nichts von einem Kleid mit den schmalen Trägern Nick auch schon einen unsittlichen Antrag gemacht.
    »Mein Körper ist mit dreiunddreißig besser, als er mit sechzehn war«, hatte sie ihm kokett ins Ohr geflüstert. Nick erinnerte sich nicht so genau, wie sie mit sechzehn ausgesehen hatte, aber er wusste noch, dass sie auf Sex gestanden hatte. Sie war eins von den Mädchen gewesen, die sich gern
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