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Der letzte Beweis

Der letzte Beweis

Titel: Der letzte Beweis
Autoren: Scott Turow
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Stößel, keine Rückstände von pulverisiertem Phenelzin. Sie hätten meine Leiche exhumieren können und nichts gefunden, was der Version widersprochen hätte, dass ich freiwillig eine Überdosis Phenelzin genommen hatte. Denn genau daran wäre ich ja auch tatsächlich gestorben.«
    Er befingert seine Kaffeetasse, während er über das alles nachdenkt. Und erst jetzt beginnt er zu weinen, was ich schon die ganze Zeit erwartet hatte.
    »Herrgott, Dad. Ehrlich. Dieser ewige Anwalt in dir. Manchmal bist du wie Mr Spöck. Das hab ich vorhin gemeint. Du hättest unmöglich hier rumsitzen können und trauern. So bist du nicht. In solchen Situationen wirst du eiskalt. Als wärst du Lichtjahre entfernt. Du redest über sie, als wäre sie eine Serienmörderin gewesen, oder ein Auftragskiller, verstehst du, jemand, der sich darauf versteht, Menschen zu töten. Dabei war sie eine extrem zornige, extrem verletzte Person.«
    »Nat«, sage ich und dann nichts mehr. So war das schon immer, mein Unmut über ihn drückt sich nur dadurch aus, dass ich seinen Namen ausspreche. Es wäre sinnlos, ihn daran zu erinnern, dass das die Wahrheit ist, die er hören wollte. Er geht zum Spülbecken, holt ein Stück Küchenpapier, um sich die Augen zu trocknen und die Nase zu putzen.
    »Wie bist du auf das alles gekommen, Dad?«
    »Langsam. Dafür hab ich den Tag gebraucht.«
    »Aha.« Er setzt sich wieder. Dann signalisiert er mir mit einem Wink, dass ich weiterreden soll.
    »Als ich aufwachte, war das Laken nass, weil sie so geschwitzt hatte. Und deine Mom war tot. Zuerst dachte ich: Herzversagen. Ich habe Wiederbelebungsversuche gemacht, und dann bin ich zum Telefon auf dem Nachttisch. Und da hab ich einen Stapel Papiere gesehen, unter dem Glas Wasser, das sie mir gebracht hatte, um die Tabletten zu nehmen.«
    »Was für Papiere?«
    »Die Unterlagen aus der Bank. Die Empfangsbestätigung von Danas Kanzlei. Kopien der Barüberweisungen und Schecks, mit denen ich Danas Rechnungen und die Untersuchung auf Geschlechtskrankheiten bezahlt hatte. Bankauszüge, auf denen die Einzahlungsbeträge umkringelt waren. Sie hatte sie offensichtlich da hingelegt, als ich eingeschlafen war.«
    »Warum?«
    »Das war ihre Version eines Abschiedsbriefes. Sie wollte mich wissen lassen, dass sie Bescheid gewusst hatte.«
    »Ah«, sagt mein Sohn.
    »Ich war natürlich entsetzt. Und nicht gerade glücklich über mich. Aber mir wurde klar, wie wütend sie gewesen war. Und dass das eindeutig kein Unfall war. Ich bin dann ziemlich schnell auf die Tabletten gekommen und habe mich gefragt, was sie genommen hat, das sie eigentlich mir geben wollte. Also bin ich zu ihrem Arzneischrank. Und das Fläschchen Phenelzin stand ganz vorne. Ich hab es genommen und aufgemacht, hab reingesehen, um mich zu vergewissern, dass das die Tabletten waren. Davon kamen meine übrigen Fingerabdrücke.
    Dann hab ich mich an meinen Computer gesetzt, um mehr über dieses Zeug rauszufinden. Und du weißt doch, wie der Browser deinen Suchbegriff vervollständigt, wenn du ihn schon mal verwendet hast, nicht? >Phenelzin< erschien sofort. Da wurde mir klar, dass sie an meinem PC gewesen war. Ich bekam sofort Angst, dass sie meine E-Mails gelesen hatte. Als ich nachschaute, hab ich gesehen, dass sie die betreffenden Mails gelöscht hatte.«
    »Von dieser Frau? Ziemlich blöd von dir, die draufzulassen, Dad.«
    Ich zucke die Achseln. »Ich hätte nie gedacht, dass deine Mom so rumschnüffeln würde. Sie wäre ausgerastet, wenn ich je auch nur einen Blick in ihre E-Mails gewagt hätte.«
    In Wahrheit wusste ich natürlich, dass ich ein gewisses Risiko einging, aber ich brachte es nicht über mich, diese Nachrichten zu löschen, die einzige Erinnerung an eine Zeit, nach der ich mich immer noch oft sehnte. Aber das kann ich meinem Sohn nicht sagen.
    »Warum hat sie die gelöscht? Oder auch die E-Mails von Dana?«
    »Deinetwegen.«
    »Meinetwegen?«
    »Das vermute ich zumindest. Wenn alles so gelaufen wäre, wie sie es geplant hatte, wenn mein Tod als natürlicher Tod eingestuft worden wäre, hätte die Möglichkeit bestanden, dass du meine Mails durchsiehst, nicht aus Neugier, sondern um dich an deinen Vater zu erinnern, so wie Trauernde alte Briefe durchgehen. Sie hat das E-Mail-Konto sozusagen zensiert, um deine Erinnerung an mich zu schützen. Und wäre es wider Erwarten doch zu einer Untersuchung gekommen, hätte es ihren Zwecken gedient, dass diese Mails verschwunden waren.«
    »Inwiefern?«
    »Weil
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