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Der letzte Beweis

Der letzte Beweis

Titel: Der letzte Beweis
Autoren: Scott Turow
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mich wie ein absoluter Vollidiot benommen. Das ist alles.«
    »Das weiß ich, Dad.«
    Touche. Er sitzt am Tisch und schaut wieder weg, ringt erneut mit seiner Enttäuschung. Ich stelle mir vor, was er denkt: Mom hatte recht. Es wäre leichter gewesen ohne mich. Wenn einer von uns beiden gehen musste, wenn ich eine Situation herbeigeführt hatte, in der er nur noch einen Elternteil haben konnte, dann sollte das lieber Barbara sein. Genau zu dem Schluss war Barbara gekommen, zumal ich kein Recht hatte, Nats Glück mit Anna zu gefährden.
    Nat seufzt schwer und nimmt sich einen Moment Zeit, um endlich seine Jacke auszuziehen.
    »Okay. Du hast Mom also angesehen. Und sie hatte so ein irres Leuchten in den Augen.«
    »Ich würde es nicht ganz so ausdrücken. Aber ich hab die Tabletten angesehen und dann sie, hin und zurück, und es war wirklich so ein Moment, in dem einem das Blut in den Adern gefriert. Ich glaube, ich hab dann irgendwas Blödes oder Offensichtliches gesagt wie >Ist das Advil?<, und sie hat gesagt: >So was Ähnliches<. Und ich hab wieder auf die Tabletten gestarrt. Nat, ich wusste nicht, was ich machen sollte. Irgendwas stimmte nicht, aber ich weiß nicht, ob ich sie geschluckt hätte oder gesagt hätte, >Zeig mir die Packung<, und ich werde es auch nie erfahren, weil sie auf einmal vortrat, mir blitzschnell die Tabletten aus der offenen Hand nahm und sie alle vier schluckte. In einer einzigen fließenden Bewegung, deinetwegen«, sagte sie, und dann drehte sie sich offenbar beleidigt um. Ich dachte, es wäre einfach typisch deine Mutter.«
    »Sie wollte lieber sterben als erwischt werden?«
    »Ich weiß es nicht. Ich werde es nie wissen. Ich glaube, sie hatte sich vorgestellt, es mehr genießen zu können, mir dabei zuzusehen, wie ich mich töte. In ihr muss ein Wirrwarr von Gefühlen gewesen sein, unter anderem auch eine große Scham.«
    »Sie hat dich vor ihr selbst gerettet?«
    Ich nicke. Ich bin nicht sicher, ob das stimmt, aber es ist gut, wenn ein Sohn das über seine Mutter denkt.
    »Das Phenelzin«, sagt er. »Einfach nur, weil es zufällig genauso aussah wie die Tabletten, die du regelmäßig genommen hast?«
    »Die Ähnlichkeit ist ihr wahrscheinlich schon vor Jahren aufgefallen. Und darin sah sie ihre Chance. Aber ich denke, entscheidender war, dass es so aussehen sollte, als wäre ich eines natürlichen Todes gestorben. Damit keiner je Verdacht schöpfen würde.«
    »So wie Harnason das versucht hat.«
    »Genau wie Harnason. Ich bin sicher, es hat sie mit einer gewissen Genugtuung erfüllt, die Anleitung für den Mord an mir in meinen eigenen Prozessakten zu finden.«
    Er lächelt ein wenig kläglich, was ich als ungebrochene Bewunderung für seine Mutter auffasse.
    »Aber sie hatte sich zusätzlich abgesichert«, sage ich. »Falls die Phenelzinüberdosis doch entdeckt werden würde, würde sie sagen, ich hätte Selbstmord begangen. Deshalb hat sie dafür gesorgt, dass ich das Fläschchen abholte und wegräumte, als ich nach Hause kam, damit ich Fingerabdrücke hinterließ. Deshalb hat sie mich losgeschickt, um Wurst und Käse und Wein einzukaufen. Eine der Recherchen über Phenelzin und seine Nebenwirkungen war schon auf meinem Computer gemacht worden. Sie hat mit Netz und doppeltem Boden gearbeitet.«
    Er nickt. Das alles leuchtet ihm ein.
    »Okay, aber was hätte sie gesagt, wäre dein Motiv gewesen, dich so kurz vor der Wahl umzubringen? Du warst kurz vor dem Höhepunkt deiner Laufbahn, Dad.«
    »Genau das macht Menschen manchmal Angst, Nat. Und außerdem war da die Scheidung, meine Termine bei Dana. Im Jahr davor hatte ich einen Rückzieher gemacht, also hätte sie sagen können, dass ich es einfach nicht ertragen konnte.«
    »Hätte sie nicht ziemlich schlecht dagestanden, wenn sie damit erst hinterher rausgerückt wäre?«
    »Sie hätte ein bisschen geweint. Wer hätte denn nicht geglaubt, dass eine verzweifelte Witwe den Ruf ihres prominenten Gatten schonen wollte, von ihrem sensiblen Sohn ganz zu schweigen? Sie hätte gesagt, das Phenelzinfläschchen hätte auf meinem Waschbecken gestanden, als sie mich fand, und da nur meine Fingerabdrücke darauf waren, hätte das ihre Geschichte bestätigt. Aber kein Mensch hätte irgendwelche Fragen gestellt. Tommy Molto als Leiter der Staatsanwaltschaft hätte doch bloß gesagt, gut, dass er weg ist. Außerdem hätten sie ruhig das ganze Haus auf den Kopf stellen können. Sie hätten nichts gefunden, wonach sie suchten - kein Mörser mit
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