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0740 - Das Blutgespenst

0740 - Das Blutgespenst

Titel: 0740 - Das Blutgespenst
Autoren: W.K. Giesa
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Regina Tagilo hatte es endlich geschafft einzuschlafen. Es war zu heiß in der kleinen Dachkammer, in der sie einquartiert worden war. Der späte September hatte noch einmal ein paar sommerlich schöne Tage gebracht, und tagsüber genoss Regina die Wärme und die Sonne. Aber die Hitze staute sich unter dem schwarzen Dach der kleinen Herberge und machte es für ihr Empfinden unerträglich. Ihre Freundin Tina, die im Zimmer nebenan schlief, kam damit viel besser zurecht.
    Regina konnte nicht einmal das Fenster öffnen. In Steinwurfweite entfernt befand sich die kleine Kirche. Aber dafür, dass das Bauwerk klein war, war das Glockenspiel um so lauter. Jede Viertelstunde schlug eine Glocke an, einmal, zweimal, dreimal, viermal - und dann kam mit aller Macht der Stundenschlag im Dreiklang. Seit der ersten Nacht überlegte Regina, ob es nicht eine Möglichkeit gab, dieses urgewaltige Glockenwerk zu sabotieren. Wie die Dorfbewohner die ständige Lärmbelästigung aushielten war ihr ein Rätsel.
    Dies war die dritte Nacht, und Regina hatte sich geschworen, Urlaubsplanung niemals wieder jemand anderem zu überlassen. Ihre Großmutter, die ohne Hörgerät nicht mehr zurechtkam und das allzu gern zu benutzen vergaß, weil der Knopf im Ohr ihr lästig war, hatte diesen einwöchigen Aufenthalt in Montecastrilli organisiert und auch die Zimmer besorgt. Sie selbst wohnte im Parterre des dreigeschossigen Hauses, weil das Treppensteigen ihr schwer fiel. »Aber den jungen Leuten macht das ja nichts aus«, sagte sie. Und so hatten Regina und ihre Freundin mit den Dachzimmern vorlieb nehmen müssen.
    Ursprünglich hatte Reginas Verlobter mit von der Partie sein sollen. Aber dem fiel es ein paar Tage vorher ein, die Verlobung zu lösen und gleich auch die bevorstehende Hochzeit mit einer anderen Frau zu verkünden -unwitzigerweise hatte er das die ganze Zeit über völlig vor Regina geheim halten können.
    Regina erwog, Salvatore am Tag seiner Hochzeit vor dem Traualtar niederzuschießen oder zumindest ihn und seine Zukünftige zu vergiften. Dieser Lump hatte Regina über ein Jahr lang mit der anderen betrogen und trotzdem ewige Liebe und Treue geheuchelt - dafür gehörte er zur Hölle geschickt. Zumindest nach Reginas rachsüchtigem Verständnis.
    Dadurch, dass ihre Gedanken immer wieder zu diesem Lumpenhund zurückkehrten, schlief sie ohnehin nicht gut. Dann hier die Herbsthitze und die Kirchenglocke… erholsam war diese Urlaubswoche auf keinen Fall.
    Tina Maggiore, ihre Freundin, versuchte, sie abzulenken, indem sie sie überall mit hinschleifte. Kulturtrips in die umliegenden Ortschaften mit ihren kleinen Sehenswürdigkeiten und Disco in Terni waren angesagt. Tina hatte das ursprünglich für Salvatore vorgesehene Zimmer übernommen. Sie hatte gerade Zeit gehabt und spontan zugesagt mitzukommen.
    Der Großmutter war's recht, so konnte wenigstens kein Mann störend im Weg herumstehen. Ihr eigener Göttergatte hatte sie schon vor ein paar Jahren in Richtung Friedhof verlassen, und sie verprasste jetzt das Geld, das er ihr vermacht hatte. Ihren Kindern gönnte sie dabei nichts, die sollten auch keinen Cent erben, aber Enkeltochter Regina hielt sie für durchaus verwöhnenswert. Wobei sie trotzdem auf ihre ureigenste, nicht immer logisch nachvollziehbare Weise an allen Ecken und Enden knauserte. Ein 3-Tage-Aufenthalt im bequemen Hotel für 50 Euro pro Übernachtung war ihr zu teuer, lieber investierte sie in eine ganze Woche in einer Billigabsteige für »nur«, 30 Euro pro Nacht, weil sie das summa summarum für billiger hielt, und sie verstand überhaupt nicht, dass Regina mit dieser Einquartierung überhaupt nicht zufrieden war.
    Großmutter bekam ja dank ihrer Schwerhörigkeit von dem Glockengedröhne kaum was mit.
    Tagsüber fiel es nicht so auf, aber nachts, wenn Regina schlafen wollte… Völlig übermüdet hatte sie sich schon kurz vor zehn Uhr abends zurückgezogen, eine für sie ungewöhnliche Zeit, weil sie unter normalen Umständen durchaus bis lange nach Mitternacht durchhielt und oft bis in die frühen Morgenstunden in den Discotheken abtanzte, um trotzdem am Morgen darauf wieder fit am Arbeitsplatz zu erscheinen. Aber hier raubten ihr die zornigen Gedanken an Salvatore und die Kirchenglocken den Schlaf. Sie war todmüde, aber durch die aufgestaute Hitze in der Dachkammer schaffte sie es erst kurz vor Mitternacht, bei geschlossenem Fenster endlich einzuschlafen.
    Und jetzt riss sie der gellende Schrei wieder
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