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Sharpes Zorn (German Edition)

Sharpes Zorn (German Edition)

Titel: Sharpes Zorn (German Edition)
Autoren: Bernard Cornwell
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KAPITEL 1
    In Cadiz war man nie weit vom Meer entfernt. Sein Geruch war stets präsent und fast so stark wie der Gestank des Abwassers. Wenn auf der Südseite der Stadt ein starker Wind aus Richtung Süden wehte, dann brachen sich die Wellen an der Seemauer und Gischt schlug gegen die geschlossenen Fenster an der Promenade. Nach der Schlacht von Trafalgar hatten eine Woche lang Stürme die Stadt heimgesucht, und die Böen hatten die Gischt bis zur Kathedrale getragen und die Gerüste an ihrem unfertigen Turm eingerissen. Die Wellen hatten Cadiz förmlich belagert, und Treibgut der versenkten Schiffe war in die Straßen gespült worden, später dann auch Leichen. Doch das war vor sechs Jahren gewesen, und jetzt kämpfte Spanien auf derselben Seite wie Großbritannien. Allerdings war Cadiz das Einzige, was von Spanien übrig geblieben war. Der Rest des Landes wurde entweder von Frankreich beherrscht oder hatte überhaupt keine Regierung. Guerilleros trieben sich in den Bergen herum, und auf den Straßen herrschte Armut. Spanien war ein trauriger Ort.
    Februar 1811. Nachts. Wieder einmal tobte sich ein Sturm über der Stadt aus, und riesige Wellen brachen sich an der Seemauer. Der Beobachter konnte die Schaumexplosionen in der Dunkelheit sehen, und sie erinnerten ihn an den Pulverdampf von Geschützen. Und die Gewalt des Wassers war genauso unberechenbar. Gerade wenn man glaubte, die Wogen hätten ihr Pulver verschossen, da schlug das Wasser hoch über den Kai, und der Wind schleuderte die Gischt wie Kartätschenkugeln gegen die weißen Mauern der Stadt.
    Der Mann war ein Priester. Padre Salvador Montseny trug eine Soutane, einen Umhang und einen breiten schwarzen Hut, den er bei dem Wind festhalten musste. Padre Salvador war ein großer Mann, Mitte dreißig und ein leidenschaftlicher Prediger von schwermütigem, aber gutem Aussehen, der jetzt im Schutze eines Torbogens wartete. Er war weit weg von zu Hause. Sein Heim lag im Norden, wo er als ungeliebter Sohn eines verwitweten Advokaten aufgewachsen war, der Salvador auf eine kirchliche Schule geschickt hatte. Er war Priester geworden, weil er nicht gewusst hatte, was er sonst hätte werden sollen, doch nun wünschte er, er hätte sich für das Soldatenleben entschieden. Und Padre Salvador glaubte, er wäre ein guter Soldat geworden, doch das Schicksal hatte ihn stattdessen aufs Meer geführt. Er war Kaplan an Bord eines spanischen Schiffes gewesen, das bei Trafalgar von den Briten erbeutet worden war, und in der Dunkelheit über ihm tobte wieder die Schlacht. Das Geräusch war das Krachen und Reißen der großen Leinenplanen, die die halb fertige Kuppel der Kathedrale schützen sollten. Im Wind klang das wie Kanonendonner. Die Planen, das wusste Padre Salvador, waren einst die Segel der spanischen Kriegsflotte gewesen, doch nach der Schlacht von Trafalgar hatte man den wenigen Schiffen, die sich noch nach Hause hatten schleichen können, die Segel abgenommen. Damals war Padre Salvador in England gewesen. Die meisten spanischen Gefangenen hatte man rasch an Land gesetzt, doch Padre Salvador war der Kaplan eines Admirals gewesen, und diesen hatte er dann auch in das feuchte Landhaus in Hampshire begleitet, wo er im Sommer den Regen und im Winter den Schnee auf den Weiden gesehen und zu hassen gelernt hatte.
    Und er hatte dort auch Geduld gelernt, und in Geduld übte er sich auch jetzt. Sein Hut und der Mantel waren völlig durchnässt, und ihm war kalt, doch er rührte sich nicht. Er wartete einfach nur. Padre Salvador hatte eine Pistole im Gürtel, aber er nahm an, dass das Zündpulver ohnehin zu nass war, als dass er sie hätte einsetzen können. Doch das war egal, denn er hatte noch ein Messer. Padre Salvador schloss die Hand um den Griff, lehnte sich an die Wand und sah einen weiteren Brecher am Ende der Straße. Die Gischt rauschte an einem Fenster vorbei, dessen Läden nicht geschlossen waren. Dann hörte Padre Salvador Schritte.
    Ein Mann rannte von der Calle Compania in seine Richtung. Padre Salvador wartete weiter. Er war nur ein Schatten inmitten anderer Schatten, und er sah, wie der Mann zu der Tür gegenüber ging. Sie war unverschlossen. Der Mann ging hinein, und der Priester folgte ihm rasch und stieß die Tür im selben Augenblick auf, da der Mann sie hinter sich schließen wollte. »Gracias«, sagte Padre Salvador.
    Sie standen in einem gewölbten Durchgang, der auf einen Hof führte. In einer Nische flackerte eine Laterne, und als der Mann sah, dass
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