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Der letzte Beweis

Der letzte Beweis

Titel: Der letzte Beweis
Autoren: Scott Turow
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auf diese Weise sichergestellt war, dass keiner die Geschichte deiner Mutter hätte anfechten können. Da sie in der Bank nachgefragt hatte, hätte sie zugeben müssen, dass sie von meiner Affäre im Jahr zuvor wusste. Aber sie hätte sagen können, dass sie nicht wusste, mit wem. Es wäre rausgekommen, dass ich zwar mit dem Gedanken gespielt hatte, mich scheiden zu lassen, aber aus unerfindlichen Gründen nicht die Scheidung eingereicht hatte. Vielleicht hatte mich die Geliebte verlassen, als ich ihr sagte, ich würde meine Frau verlassen wollen. Und da so vieles für Selbstmord gesprochen hätte, wäre es nie zu einer gründlicheren Ermittlung gekommen.«
    Wieder lässt er sich alles durch den Kopf gehen.
    »Wo sind diese Bankunterlagen eigentlich geblieben? Die auf dem Nachttisch?«
    Ich lache. »Du bist schlauer als Tommy und Brand. Nachdem die Frau von der Bank ausgesagt hatte, dass sie deiner Mom die Dokumente zur Verfügung gestellt hatte, hab ich darauf gewartet, dass die Ankläger fragen, was zum Teufel denn aus den Kopien geworden ist. Das Haus wurde ja mehrfach auf den Kopf gestellt. Aber es ging alles so schnell, und außerdem sind sie vielleicht davon ausgegangen, dass Barbara sie vernichtet hatte.«
    »Aber das hast du getan, nicht?«
    »Ja. Ich hab sie zerrissen und die Schnipsel im Klo runtergespült. An dem Tag. Nachdem ich alles durchdacht hatte.«
    »Und dich dadurch der Justizbehinderung schuldig gemacht.«
    »Genau«, bestätige ich. »Meine Aussage im Prozess war nicht gerade freimütig. Es gab vieles, was ich nicht gesagt habe, aber hätte sagen müssen, wenn ich die volle Wahrheit gesagt hätte. Trotzdem denke ich nicht, dass ich einen Meineid begangen habe. Es war ganz sicher nicht meine Absicht, weil es mein gesamtes Berufsleben ad absurdum geführt hätte. Aber an dem Tag, als deine Mutter starb, habe ich Beweismittel vernichtet. Ich habe die Polizei in die Irre geführt. Ich habe die Justiz behindert.«
    »Weil?«
    »Das hab ich dir schon erklärt. Ich wollte nicht, dass du weißt, wie deine Mutter gestorben ist oder welche Rolle mein dummes Verhalten dabei spielte. Nachdem ich mich über Phenelzin informiert hatte, war ich mir so gut wie sicher, dass der Rechtsmediziner einfach von Herzversagen ausgehen würde. Die größte Hürde würde Molto sein, deshalb wäre mir am liebsten gewesen, wenn wir Polizei und Rechtsmediziner einfach hätten vermeiden können, aber das hast du nicht zugelassen. Das Bestattungsunternehmen hätte vermutlich auch darauf bestanden, aber ich wollte es versuchen.«
    Nat blickt lange in seine Kaffeetasse, dann steht er wortlos auf und schenkt sich nach. Er gibt Milch hinzu, setzt sich und nimmt wieder dieselbe Haltung ein. Ich weiß, dass er Für und Wider abwägt. Ob er mir glauben soll oder nicht.
    »Es tut mir leid, Nat. Es tut mir leid, dass ich dir das alles erzähle. Ich wünschte, es gäbe irgendwelche anderen Schlussfolgerungen, die man ziehen könnte. Es ist, wie es ist. Man kann nie richtig abschätzen, was passieren wird, wenn die Dinge einmal schieflaufen.«
    »Warum hast du das alles nicht im Prozess gesagt, Dad?«
    »Weil ich nach wie vor nicht wollte, dass du das über deine Mutter erfährst, Nat. Doch das größte Problem wäre mein Geständnis gewesen, dass ich die Polizei angelogen und die Papiere deiner Mutter vernichtet hatte. Du weißt schon, >Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht< und so weiter. Die Geschworenen hätten nicht viel Verständnis für einen Richter gehabt, der die Polizei hinters Licht führt. Ich habe so viel von der Wahrheit erzählt, wie ich konnte, Nat. Und ich habe nicht gelogen.«
    Er blickt mich lange an, während ihm weiter dieselbe Frage durch den Kopf kreist, und ich sage zu ihm: »Ich hab mich selbst ganz schön in den Schlamassel geritten, Nat.«
    »Das kann man wohl sagen.« Er schließt die Augen und bearbeitet ein paar Sekunden lang seinen Nacken. »Was willst du jetzt machen, Dad? Was fängst du jetzt an?«
    »Sandy hat die Vereinbarungen heute Nachmittag für mich zur Unterschrift fertig.«
    »Wie geht's ihm?«
    Ich klopfe auf den Holztisch.
    »Und welchen Deal hat er ausgehandelt?«, fragt Nat.
    »Ich gebe das Richteramt auf, wegen der Sache mit Harnason. Aber ich darf meine Pension behalten. Die beläuft sich auf neunzig Prozent meiner drei besten Jahre, also bin ich finanziell abgesichert. Außerdem hat mir deine Mutter ein ordentliches Erbe hinterlassen. Es gibt übrigens schon Gerüchte, wer mich am
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