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Der Leibarzt der Zarin

Der Leibarzt der Zarin

Titel: Der Leibarzt der Zarin
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Tscherkessenland berühmt sind, lag die Zarin im flackernden Licht der Fackeln und Öllampen.
    »Mir ist schwindlig«, sagte sie. »Wenn ich die Hände aneinanderlege, werden sie feucht. Richte ich mich auf, fällt es wie ein Gewicht von hundert Pud auf mein Herz. Meine Augen zittern …« Sie dehnte sich und seufzte. »Erklärt mir die Krankheit, Doktor. Gibt es ein Mittel dagegen?«
    »Ich müßte die erlauchte Zarin untersuchen.« Trottau trat zum Bett. »Ich müßte die Zarin anfassen.«
    »Der Zar und der Arzt sind die einzigen, die die Zarin berühren dürfen.« Sie lachte, schob mit beiden Händen die Schleier von sich und lag nackt vor ihm. Ein Körper, wie ihn kein Märchen beschreiben kann. »Früher stach man bei uns den Ärzten die Augen aus«, sagte sie, »damit sie nur fühlten und hörten, aber nicht die Schönheit der Frauen sahen. Welch eine grausame Zeit!« Sie stützte sich auf die Ellenbogen und blickte Trottau an. »Wie alt seid Ihr, Arzt?«
    »Dreißig Jahre, erhabene Zarin.«
    »Genauso alt wie der Zar! Aber Ihr seid größer, stärker, schöner. Ihr habt ein Weib?«
    »Nein.«
    »Warum nicht?«
    »Ich habe studiert, das war wichtiger. Dann geriet ich in Kriege und Aufstände. Wer hat da Zeit zum Heiraten?«
    »Dann habt Ihr nie geliebt?« Die Zarin legte sich wieder zurück auf die Zobeldecke. Ihr nackter Leib wölbte sich … Er war wie eine Woge, die zu Trottau hinglitt. »Ihr seid ein armer Mensch, Arzt!«
    »Ich habe ein paar Mädchen gekannt …«
    »Huren, nicht wahr?«
    »Ehrbare Töchter, erhabene Zarin. Aber ich bin ein ruheloses Blut.«
    »Ich mag Ruhelosigkeit, Arzt. Aus der ständigen Sehnsucht erneuern wir uns immer – es ist ein Weg zum ewigen Leben. Setzt Euch.« Ihre kleine, weiße, mit Ringen überladene Hand klopfte auf das Bett.
    »Ihr habt ein Haar wie gesponnenes Gold. Die Märchenerzähler von Kasan kennen ein Märchen, in dem ein Mädchen mit goldenen Haaren einen Prinzen einspinnt wie eine Spinne ihr Opfer.« Sie faßte nach Trottaus Hand und legte sie auf ihr Herz. Ihre Brust war wie ein warmes schwellendes Tal, aus dem ihm der Duft von tausend Rosen entgegenflog. »Die Märchenerzähler von Kasan sind Dummköpfe. Es war ganz anders. Ein Jüngling mit goldenen Haaren umspann eine Zarin …«
    Sie richtete sich auf – so schnell, daß Trottau nicht zurückweichen konnte. Sie warf die Arme um seinen Nacken, ließ sich mit ihm zurückfallen auf das Bett und küßte ihn. Es war ein Kuß, der alles in ihm verbrannte: die Ehrfurcht, die Stärke, die Vernunft und die Vorsicht. Noch im Kuß umarmte er die Zarin und ließ sich von ihrem Körper besiegen.
    »Wie heißt du?« Die Zarin lag müde und glücklich in Trottaus Armen und rollte seine blonden Haare um ihre Finger. Die Fackeln waren ausgebrannt, nur noch die Öllampen verbreiteten ihren milden Schein.
    »Andreas Daniel von Trottau.«
    »Ich werde dich Andrej nennen.« Sie löste sich aus seiner Umarmung, sprang aus dem breiten Bett. »Du wirst immer um mich sein, mich zur Jagd begleiten. Wir werden schwimmen und die Wolken zählen, Lachse und Störe aus den Flüssen holen und mit Schlitten durch die Wälder fahren. O Andrej, ich liebe dich!« Sie beugte sich über Trottau und küßte seine Füße. Es war etwas rührend Demütiges in dieser Zärtlichkeit, und Trottau lag ganz still, um diesen Zauber nicht zu zerstören.
    Man hatte anderes über Marja erzählt: Grausamkeiten, Kälte, Rachsucht und Raserei. Wenn Iwan ein Scheusal war, so galt Marja als die Stimme, die ihm noch mehr Scheußlichkeiten einflüsterte. »Gott nehme sich ihrer Seele an!« hatte der Kaufmann Wenowski – bei dem Trottau in Moskau gewohnt hatte, bevor er in den Kreml zog – zu ihm gesagt, als ein Djak ihm die Gnade des Zaren überbrachte, Arzt des Russen aller Russen zu werden. »Der Zar ist zu bändigen, wenn man nur seinen Kopf vor seinem Willen beugt. Aber die Zarin … Brüderchen Arzt, wenn der Satan in der Gestalt eines Engels erscheint, ist die Welt verloren. Mit Marja Temrjuka geht sie unter …«
    Und nun lag er, Trottau, hier in ihrem Bett. Sie küßte ihm die Füße und streichelte ihn mit beiden Händen.
    »Ich muß dich untersuchen«, sagte er.
    »Du hast mich schon geheilt, blonder Bär.«
    »Der Zar will einen Bericht.«
    »Schreib hinein: Die Zarin suchte drei Jahre lang die Liebe. Ich habe sie ihr gebracht.«
    »Er wird mich aufhängen.«
    »Sicherlich.« Sie lachte und warf sich wieder über ihn. »Du siehst, wie gefährlich es
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