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Der Leibarzt der Zarin

Der Leibarzt der Zarin

Titel: Der Leibarzt der Zarin
Autoren: Heinz G. Konsalik
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gehämmertes, innen mit Pelz gefüttertes Eisen, das sich zu einer Spitze verjüngte. An beiden Seiten und im Nacken reichte der Helm bis auf die Schultern und schützte den Hals. Von der Stirn lief eine breite Stahlspange über die raubvogelartige Nase. Links und rechts davon starrten die kalten Augen auf die Welt, die ihm gehörte, ihm – dem Mächtigsten unter den Mächtigen. Über die Hände hatte der Zar schwarze Stahlhandschuhe gestreift, an den Fingerknöcheln mit kleinen Spitzen bewehrt. Wenn er mit diesen Händen zuschlug, zerriß alles an den Dornen. Es war ein fürchterlicher Schlag – und es war das Mildeste an Strafe, was Iwan zu vergeben hatte. Neben ihm im Sattel hing in einer Schlaufe sein Possoch – ein Hirtenstab mit stählerner Spitze, den Iwan als persönliche, schreckliche Waffe immer bei sich trug.
    Wortlos ritt er weiter, als Fürst Kurbski vor ihm auftauchte und sich im Sattel tief verneigte. »Lang lebe der Zar, und Gott beschütze ihn! Das Heer erwartet seinen Herrn.«
    Iwan blickte kurz zur Seite. Kurbskis letzte Worte waren eine Drohung gewesen, eingewickelt in Ergebenheit – der Zar verstand sie. Abrupt zog er die Zügel an und betrachtete den Wald von Zelten, Fahnen und Menschen. Eine Gruppe Reiter näherte sich langsam. Der Bojar Ludenski mit vierzig Offizieren folgte seinem Fürsten.
    »Ich grüße dich, Kurbski«, sagte Iwan hart. Mit einem Ruck zog er den Possoch aus der Schlaufe und legte ihn quer vor sich über den Sattel. »Hast du etwas zu sagen?«
    »Ich schwöre beim Kreuz, daß ich nur die Befehle des Zaren annehmen und ohne Bedenken ausführen werde …«
    »Das war dein Eid, Kurbski!«
    »Ich schwöre: Nur der Zar ist mein Herr und Gebieter, keine andere weltliche Macht erkenne ich an. Ich werde alle Verräter meinem Zaren melden, seien es selbst meine Eltern, Geschwister oder Freunde …«
    »Du hast den letzten Satz des Eides vergessen, Kurbski!« Der Fürst sah Iwan tief in die kalten, mörderischen Augen. Er erkannte den Blick, vor dem andere Menschen vereisten aus Angst und Grauen. Und er sagte laut: »Ich schwöre beim Kreuz: Ich weiß, daß ich und meine Verschwörer sterben müssen, wenn ich gegen die Gebote des Zaren verstoße …«
    »Du hast es gut behalten, Kurbski!« Mit einer unheimlichen Schnelligkeit fuhr der Possoch vor. Kurbski sah die stählerne Spitze auf sich loszucken, aber er wich nicht aus. Stolz hob er den Kopf und wölbte die Brust dem tödlichen Stich entgegen. Hinter sich hörte der Fürst das Hufklappern von Ludenskis Kavalkade. Sie rächen mich, dachte er in dieser kleinen Sekunde vor dem Tod. Iwan, großer Zar, stich zu …
    Kurz vor der Brust blieb die eiserne Spitze stehen. Iwan hielt den Possoch ausgestreckt in der Hand mit den eisernen Dornenhandschuhen. Die kalten Augen des Zaren funkelten. »So stolz?« fragte er dunkel.
    »Mein Leben gehört dem Zaren. Er kann es nehmen.«
    »Hast du mich verraten, Kurbski?«
    »Das wird der Zar entscheiden.«
    »Warum brennt immer noch meine litauische Provinz?«
    »Der Stolz der Russen prallt auf den Stolz der Litauer.«
    »Dann rotten wir sie aus!« brüllte Iwan.
    »Aber ein totes Land trägt keine Frucht.«
    »Ich werde Siedler schicken! Ich werde deutsche Bauern ins Land holen. Herrschen können, heißt, Völkern Räume zu öffnen.«
    »Ist es nicht wichtiger, von Völkern geliebt zu werden?«
    »Wer liebt mich denn, Kurbski?«
    »Wenn es nur ein Mensch ist, ist es genug. Ich liebe Euch, erhabener Zar.«
    Iwan zog den Possoch zurück und steckte ihn wieder in die Lederschlaufe. Dann nahm er seinen Helm ab und warf ihn nach hinten. Ein Strelitze fing ihn auf. »Andrej Michailowitsch, du bist mein Freund«, sagte Iwan leise. »Laß uns allein weiterreiten.«
    Kurbski nickte verwirrt. Er gab Ludenski ein Zeichen, dann folgte er Iwan. Als sie außer Hörweite waren, hielt der Zar sein Pferd an. »Du kennst den Bojaren Schemski? Er hat mir einen Kurier geschickt. Kurbski, ich werde ihn töten lassen.«
    »Den Kurier?«
    »Ihn – und Schemski. Weißt du, was er behauptet? Der deutsche Arzt von Trottau sei der Geliebte der Zarin. Kurbski – du kennst Trottau!« Er packte den Fürsten an den Schultern und schüttelte ihn. »Kurbski! Du hast ihn mir empfohlen! Wenn er mir Marja weggenommen hat, wird ein Strafgericht über euch alle kommen. Du weißt, wie glühend ich Marja liebe. Du, mein Jugendfreund, weißt es besser als andere. Denk nicht an deinen Kopf, denk nur an deinen Eid: Kann Trottau die
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