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Ein nackter Arsch

Ein nackter Arsch

Titel: Ein nackter Arsch
Autoren: Christian Bauer
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Samstag, 12. Oktober 2002

    Das Telefon klingelte. Sein Kopf war schwer, und er nahm das störende Geräusch wie durch einen Rauschfilter wahr. Rausch – das war es –, er hatte gesoffen. Zuerst die drei letzten Dosen Bier, die er noch im Kühlschrank gefunden hatte, dann, weil das Bier nicht gereicht hatte, Pastis. Zunächst noch mit Wasser verdünnt. Danach hatte er sich nicht mehr an den Wasserhahn bemüht. Eis war auch keines mehr im Gefrierfach, und so setzte er die Flasche an den Hals und machte dem letzten Rest auf diese Weise den Garaus.
    Eine große, blaue Einundfünfzig hatte auf der Flasche gestanden, doch es waren nur fünfundvierzig Volumenprozent gewesen, da war er sicher. Dennoch – zu viel und zu schnell. Und deshalb war er schon vor Mitternacht in einen tiefen und traumlosen Schlaf gesunken.
    Das Telefon klingelte immer noch. Warum hatte er eigentlich wieder so zugeschlagen? ‚Abpumpen‘ nannte das sein Kollege Altpeter. Warum also? Wenn Robert Simarek soff, dann hieß der Grund fast immer Evi Katschmarek. Auch diesmal. Und wenn der Grund Evi Katschmarek hieß, dann war so gut wie immer ein Streit der Anlass des Besäufnisses gewesen.
    Evi hatte ihm am Telefon eine Szene gemacht, hatte geheult wie lange nicht mehr. Und nur, weil er ihr mitgeteilt hatte, dass er am Wochenende nicht wie geplant nach Köln kommen konnte. Dienst ist nun mal Dienst und Pastis nun mal Pastis… Herrgott nochmal!
    „Aber wir haben das schon vor Wochen ausgemacht.“
    „Ja, Schatz, aber der Kollege Altpeter ist krank, und ich schiebe Bereitschaft!“
    „Das könnte ja auch mal ein anderer machen!“
    „Du weißt genau, dass wir kaum Leute haben und außerdem…“
    „Du hast dich wahrscheinlich nicht mal richtig bemüht…“
    „Evi, du weißt doch…“
    Sie hatte einfach aufgelegt, und sie war im Recht. Er wusste das. Nein, er hatte sich tatsächlich nicht darum bemüht, dass ein anderer die Bereitschaft übernahm. Warum auch? Es gab keinen anderen. Dass er aber nicht einmal in Erwägung gezogen hatte, eine andere Lösung zu suchen, bewies ihm nur eines: Dieses Wochenende in Köln war ihm nicht wirklich wichtig. Jedes andere wäre genauso gut wie dieses. Evi und er waren jetzt schon sieben Jahre zusammen. Verflixte sieben Jahre funktionierte diese Beziehung doch schon: er in Saarbrücken – sie in Köln. War es da nicht völlig egal, an welchem Wochenende sie sich sahen? War es das? Er war sich nicht sicher – sein Bauch signalisierte ihm, dass er sich in die eigene Tasche log. Gut, er hatte gesagt, er käme an diesem Wochenende nach Köln, aber kaum gab es einen Grund abzusagen, hatte er diesen gerne genutzt. Vorgeschoben? NEIN! Aber es gab gewisse unabänderliche Tatsachen, die Simarek bereitwillig hinnahm. Er verließ Saarbrücken eben nicht gerne, das hatte nichts mit Evi zu tun.
    Hatte es nicht? Warum waren sie eigentlich noch zusammen? Die meisten Beziehungen schafften es doch noch nicht mal bis in das siebte Jahr. Na also, worüber regte sich Evi eigentlich auf? Gekränkt – nur weil er seinen Job ebenso wichtig nahm wie sie ihren? Eigentlich war doch alles klar. Er hatte ihr gesagt „Ich liebe dich“, sie hatte ihm gesagt „Ich liebe dich!“. Und fortan hatten sie beschlossen, sich daran zu halten. So war das. Gut so!
    Er war noch mit Evi zusammen, weil sie sich liebten – wirklich? – oder geliebt hatten. Wie war denn der aktuelle Punktestand? Highscore noch in Sichtweite? Kribbelte es noch, wenn sie dran war – am Telefon? Hatte er immer noch so große Lust auf sie wie früher? Auf die kleinen Brüste und die sportlichen, durchtrainierten Schenkel?
    Er wollte das nicht zu Ende denken. Er meinte, sie immer noch zu lieben. Aber warum lange darüber reden? Warum darüber nachdenken? Es gab noch Dosenbier im Kühlschrank, und der Pastis mit der blauen Einundfünfzig auf dem weißen Etikett war auch noch halb voll. Prost!
    Der Nebel in seinem Kopf lichtete sich langsam. Er hatte sich weggetrunken und kam langsam wieder zu sich. Er lag bekleidet auf dem Bett, sein Hals kratzte und er verspürte den unwiderstehlichen Drang, einen fahren zu lassen. Aber ob das gut gehen würde? Er verkniff es sich.
    Das Telefon klingelte immer noch.

    „Was is…?“ – Simarek hatte Mühe, die beiden Worte über die Lippen zu bringen. Die Zunge klebte am Gaumen, und neben dem Bett stand nicht wie üblich eine Wasserflasche. Mist!
    „Hat ja eine Ewigkeit gedauert, Commissario!“ Die Stimme am anderen Ende der
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