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Der Kuss Des Daemons

Der Kuss Des Daemons

Titel: Der Kuss Des Daemons
Autoren: Lynn Raven
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sah mich an. »Ich weiß es nicht«, gestand er dann zögernd. »Es ist noch nie vorgekommen, dass ...« Er verstummte und drehte sich halb um, als die Tür sich öffnete. Eine Schwester streckte den Kopf herein. Als sie sah, dass meine Augen offen waren, lächelte sie mich an.
    »Du bist wach. Schön. Ich werde dem Arzt Bescheid sagen, dass er gleich noch mal nach dir sieht.« Sie nickte jemandem zu, der hinter ihr stand. »Sie können zu ihr.«
    Eine Stimme murmelte etwas, die Schwester zog sich zurück und ein Mann erschien an ihrer Stelle in der Tür. Julien stand auf, mit einem Schlag wachsam und angespannt. Der Fremde war schlank, mittelgroß und breitschultrig. Schwarzes, lockiges Haar umrahmte sein Gesicht. Seine Nase war scharf gebogen und lange schwarze Wimpern umschatteten große grüne Augen, die Julien kalt musterten. Quer durch den Raum hinweg starrten sie einander an, bis der Fremde mein Zimmer endgültig betrat und die Tür hinter sich schloss. Mit gelassener Geschmeidigkeit kam er auf uns zu und blieb am Fußende meines Bettes stehen, ohne Julien auch nur eine Sekunde aus den Augen gelassen zu haben. Das Piepen wurde schneller. Es schien kein anderes Geräusch mehr zu geben.
    »Du bist der jüngere von Sebastien Du Craniers Zwillingssöhnen. Ich habe von dir gehört. Allerdings nichts Gutes«, begrüßte der Mann Julien schließlich kühl und musterte ihn erneut von Kopf bis Fuß.

    Julien gab den Blick schweigend zurück. Seine Hände waren zu Fäusten geballt. Er entspannte sich auch nicht, als der Fremde unvermittelt leise lachte. »Jetzt verstehe ich, warum man dich in die Verbannung geschickt hat. Es gibt nicht viele in deinem Alter, die es wagen würden, mir so entgegenzutreten. - Bedauerlich, dass deine Familie Marseille verlassen musste. Jemanden wie dich im Rat zu haben, wäre ... sagen wir, reizvoll.«
    »Auch wenn wir Marseille nicht hätten verlassen müssen, würde immer noch Adrien im Rat sitzen.« Julien schien mit zusammengebissenen Zähnen zu sprechen.
    Der Mann winkte mit einer verächtlichen Geste ab. »Ah bah. Ihr seid Zwillinge. Und außerdem: Nach allem, was ich gehört habe, hast du dich in den letzten Wochen äußerst erfolgreich in dieser Stadt unter unseresgleichen als dein Bruder ausgegeben. Ein paar dekadente Dummköpfe zu narren sollte da doch kein Problem darstellen.«
    Julien presste die Zähne noch fester aufeinander. Ich zuckte zusammen, als die grünen Augen sich unvermittelt auf mich richteten.
    »Das ist sie also.« Der Mann musterte mich kühl und eindringlich zugleich. »Sie sieht Alexej tatsächlich ähnlich.«
    Seine Nasenflügel blähten sich. »Sie hat den Wechsel noch nicht vollzogen.« Er sah wieder Julien an. »War das dein Verdienst?«
    »Ja.« Julien klang regelrecht feindselig.
    »Ausgesprochen gut gemacht. Offensichtlich hat Sebastien kluge Söhne in die Welt gesetzt. Zornige, aber kluge Söhne. Das verschafft uns ein bisschen Zeit.«
    »Bedeutet das, Sie werden uns helfen?«, erkundigte Julien sich gepresst.
    Der Mann neigte den Kopf in meine Richtung. »Ihr werde ich helfen. Oder warum hast du mich sonst angerufen? - Dir allerdings wird das Tribunal nicht erspart bleiben, nachdem du ohne Erlaubnis aus der Verbannung zurückgekommen bist. Und Gérard hat noch immer viele Freunde. - Aber fürs Erste stelle ich das Mädchen unter deinen Schutz, Vourdranj.« Er sah mit einem spöttischen Lächeln von Julien zu mir und zurück. »Auch wenn ich fast glaube, dass das eigentlich gar nicht nötig ist. Du scheinst in die gleiche Falle gegangen zu sein wie ich damals mit Mina und wie Alexej mit ihrer Mutter vor zwanzig Jahren. - Ihr bleibt in dieser Stadt und verhaltet euch, als wäre nichts geschehen. Ich werde ein paar Gefallen einfordern und sehen, was ich tun kann.«
    Julien nickte knapp.
    »Warum tun Sie das? Wer sind Sie?« Bisher hatte ich schweigend zugehört, doch jetzt stemmte ich mich mühsam auf einen Ellbogen, um den Fremden besser ansehen zu können. Julien war sofort neben mir, um mich zu stützen. Ich sank gegen seine Schulter.
    »Du weißt nicht, wer ich bin?« Der Mann blickte mich erstaunt an. Doch gleich darauf beantwortete er sich seine Frage selbst. »Nein, natürlich nicht. Woher auch. - Ich bin dein Großonkel Vlad, Mädchen. Dein Vater war mein Neffe, der jüngste Sohn meines jüngeren Bruders Radu. Mein Lieblingsneffe, um genau zu sein. Etwas, das so mancher als äußerst zweifelhafte Ehre bezeichnen würde. - Als Alexejs Tochter
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