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Der Kuss Des Daemons

Der Kuss Des Daemons

Titel: Der Kuss Des Daemons
Autoren: Lynn Raven
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Julien an, dem das nackte Entsetzen im Gesicht stand. Seine Hände waren voller Blut. Alles an ihm war voller Blut. Mit einem Mal begriff ich. Alles war voll von meinem Blut! Meinem Blut, das unaufhaltsam aus der Wunde an meinem Hals rann, die mein falscher Onkel mir gerissen hatte, um mich zu zwingen, mehr von Juliens Blut zu trinken. Ich fiel in Juliens Arme zurück und klammerte mich zugleich an ihn. Ich verblutete! Ich starb!
    »Nein! Nein, hilf mir! Mach, dass es aufhört!«, bettelte ich und krallte mich an ihm fest.
    Sein Gesicht verzerrte sich zu einer Maske aus Schmerz und hilfloser Verzweiflung. Er stieß ein gequältes Stöhnen aus und schüttelte den Kopf.
    »Bitte! Ich will nicht sterben!« Ich brachte nicht einmal mehr ein Wispern zustande. Meine Finger öffneten sich gegen meinen Willen. Ich versuchte eine Hand in seinen Nacken zu schieben.
    Er stöhnte erneut. Der Laut eines Tieres, das in einer Falle gefangen war, aus der es kein Entkommen gab.
    »Bitte!« Meine Hand war bis zu seiner Schulter hinaufgekrochen. Ich zog seinen Kopf zu mir herunter - gegen seinen Widerstand -, ohne zu wissen, woher ich die Kraft nahm. Vielleicht war es auch einfach nur das Gewicht meines Armes, der immer schwerer zu werden schien.
    »Ich will nicht sterben«, flüsterte ich leise, als ich seinen Mund gegen meinen Hals drückte. Ich war so müde. Er versuchte zurückzuweichen. »Bitte!«, flehte ich noch einmal. Ich hörte ein Schluchzen direkt an meinem Ohr, das wie »Ich liebe dich« klang. Seine Lippen legten sich kalt auf meine Haut. Ich spürte seine Zähne an meinem Hals im selben Augenblick, als mein Bewusstsein in der Dunkelheit verging.

    Ich schwebte und die Erde schüttelte sich, bis sie sich irgendwann endlich beruhigte. Manchmal war da Licht in der Dunkelheit. Dann, nur allmählich, verschwand sie ganz und das Licht nahm endgültig ihren Platz ein. Zusammen mit einem hellen, nervtötenden Piepen. Meine Hand war in einer Stahlklammer gefangen und irgendetwas umschloss eng meinen Hals. Bleierne Müdigkeit saß in meinen Gliedern. Ich zwang meine schweren Lider, sich wenigstens einen Spaltbreit zu heben. Alles um mich war weiß. Ich blinzelte. Nur langsam schälten sich Konturen aus dem Weiß heraus. Wände, Decke, Fenster mit Jalousien, Tür. Es dauerte, bis mir klar wurde, dass ich in einem Krankenhauszimmer lag. Mühsam wandte ich den Kopf. Schmerz grub sich in meinen Hals. Ich stöhnte. Die Stahlklammer öffnete sich und in der nächsten Sekunde beugte Julien sich über mich. Sein blaues Auge war fast wieder verblasst.
    »Gott sei dank! Du bist wach.« Auf seinem Gesicht war nichts anderes als Erleichterung zu sehen.
    Ich wollte die Hand heben, um ihn zu berühren, und konnte es nicht. Etwas saß in meinem Handrücken. Es tat weh.
    »Schscht. Ganz ruhig. Alles ist in Ordnung. Ruh dich aus. Du bist in Sicherheit.« Er strich mir über die Wange, ehe er meine Hand ganz vorsichtig in seine nahm. Erst jetzt begriff ich, dass eine Nadel in meinem Handrücken steckte, die über einen dünnen, durchsichtigen Schlauch mit einer Infusionsflasche verbunden war, die neben meinem Bett von einem Chromständer hing. Über meinem Kopf piepte es. Ich sah Julien unter schweren Lidern heraus an. Seine Augen waren nicht mehr länger von jenem tödlichen Schwarz, auch wenn er noch immer - selbst für seine Verhältnisse - sehr blass war.
    »Du hast es getan.« Das Sprechen tat weh, als hätte ich Schmirgelpapier geschluckt. Dennoch lächelte ich schwach. Julien fragte nicht, was ich meinte. Er wusste es auch so. Sekundenlang blickte er auf mich herab, ehe er nickte - langsam und noch immer irgendwie erstaunt. »Auch wenn ich nicht weiß, wie ich den Durst beherrschen konnte.« Er schüttelte kaum merklich den Kopf. »Du hattest mehr Vertrauen in mich als ich selbst.«
    Erschöpft lächelnd ließ ich mich ein wenig tiefer in das dünne Krankenhausbettkissen sinken. Die Müdigkeit wollte mich nicht loslassen. Doch mein Lächeln schwand, als mir etwas anderes einfiel. »Samuel ...«, setzte ich erschrocken an, doch Julien ließ mich nicht weitersprechen.
    »Er ist tot. Er kann dir nichts mehr tun«, erklärte er mir mit grimmiger Befriedigung.
    »Tot?«, flüsterte ich und sah verwirrt zu ihm auf. »Was ist passiert?«
    Es scharrte, als er einen dieser kunstlederbespannten Stühle mit dem Fuß weiter zum Kopfende des Bettes zog und sich darauf niederließ. Offenbar hatte er die ganze über neben mir gewartet, dass ich wieder zu
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