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Der Kuss Des Daemons

Der Kuss Des Daemons

Titel: Der Kuss Des Daemons
Autoren: Lynn Raven
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der man immer wieder aus Albträumen aufschreckte, an die man sich nicht erinnern konnte, und aus der man schließlich mit hämmernden Kopf-und Zahnschmerzen aufwachte, mit dem Gefühl, keine Sekunde geschlafen zu haben. Um obendrein festzustellen, dass man verschlafen hatte. Und das nicht zu knapp.
    Im Rad brach ich jeden meiner bisherigen Rekorde, obwohl ich mir noch die Haare föhnte. Vor dem Kleiderschrank ließ ich bedauernd den Blick über meine Halbarmshirts und Sommerblusen gleiten und entschied mich dann für ein T-Shirt mit aufgedrucktem Löwenkopf zu meinen Jeans. Nachdem es versprach, ein trotz aller Sonne kühler Herbsttag zu werden, würde ich ohnehin eine Jacke überziehen müssen. Rasch fuhr ich noch mal mit beiden Händen durch mein dunkelblondes, schulterlanges Haar, dann hetzte ich die Treppe hinunter. In der Küche rannte ich Ella, die Haushälterin meines Onkels, fast über den Hauten, stürzte meinen Tee in vier großen Schlucken hinunter, gönnte ihren herrlichen selbst gebackenen Schokomuffins - für die ich früher getötet hätte - nur einen flüchtigen Blick und war schon aus der Haustür, ehe sie noch »Aber Dawn ...« zu Ende protestiert hatte. Ich nahm die Treppe mit zu viel Schwung, da ich vorgehabt hatte, einen kleinen Sprint zur Garage hinzulegen, sodass ich an ihrem Fuß beinah bäuchlings auf der Motorhaube meines silberblauen Audi gelandet wäre. Auf der Fahrerseite stand Simon und grinste mich an.
    »Morgen, Dawn. Na, verschlafen? Soll ich dich mit dem Rolls bringen?«
    Simon war der letzte in einer Kette von Quälgeistern, die mein Onkel für mich angestellt hatte. Der muskulöse Hüne mit dem stoppelkurz geschnittenen Haar war Hausmeister, Chauffeur und Leibwächter in Personalunion. Zumindest hatte er mehr Humor als die Männer, die vor ihm auf mich aufgepasst hatten. Und er nahm es glücklicherweise ziemlich gelassen, dass er mir nicht mehr Tag und Nacht folgen oder mich mit dem schwarz-und chromblitzenden Ungetüm von einem Rolls Royce - das unübersehbar hinter meinem Audi parkte - zur Schule fahren durfte.
    Vor ein paar Monaten hatte ich einen heftigen Streit mit meinem Onkel zu diesem Thema gehabt. Seit meine Eltern bei einem Raubüberfall ermordet worden waren, kümmerte er sich um mich. Meine Mutter war seine jüngere Stiefschwester gewesen, die er abgöttisch geliebt haben musste. So sehr, dass er es ihr sogar verzieh, mit
    »einem dahergelaufenen Ausländer«, wie er meinen Vater immer nannte, durchgebrannt zu sein. Nach ihrem Tod hatte er mich bei sich aufgenommen. In dem Bestreben, mich vor jedem Übel der Welt zu beschützen, heuerte er jede Menge Kindermädchen und Leibwächter an. Bis ich es nicht mehr ertragen konnte. Gewöhnlich widersetzte man sich Samuel Gabbron nur, wenn man unter akuten Suizidabsichten litt. Aber an jenem Tag vor etwa einem Jahr war alles in mir hochgekocht. Er war schließlich nicht derjenige, der von seinen Mitschülern schräg angeschaut wurde, der ihre ewigen Sticheleien ertragen musste, der keine Freunde hatte. Er war ja nie hier, sondern immer nur unterwegs, um sich um seine millionenschweren Geschäfte zu kümmern. Ich hatte ihm durchs Telefon hindurch vorgeworfen, er würde mich wie eine Gefangene behandeln, hatte geschrien, dass ich ihn hasste und die erste sich bietende Gelegenheit nutzen würde, um davonzulaufen. Dann hatte ich aufgelegt und mich geweigert noch mal ranzugehen.
    In der gleichen Nacht stand er plötzlich neben meinem Bett. Wir sprachen ziemlich lange miteinander. Ich verstand seine Angst, mir konnte das Gleiche zustoßen wie meiner Mutter, aber letztendlich konnte ich ihn überzeugen. Es lenkte viel mehr Aufmerksamkeit auf mich, wenn stets irgendwelche durchtrainierten Kerle so auffällig unauffällig in meiner Nähe herumstanden. Vor allem, da ich noch nicht einmal seinen Nachnamen trug, sondern den meiner Mutter. Wer also sollte Dawn Warden mit ihm, dem steinreichen Industriellen, in Verbindung bringen? Ich war siebzehn. Ich wollte Freunde. Vielleicht sogar einen Freund. Ich wollte endlich leben! Es war kurz vor Sonnenaufgang, als er wieder in den Helikopter stieg, der hinter dem Haus auf ihn gewartet hatte. Am nächsten Morgen stand der Audi vor der Tür, damit ich von nun an alleine zur Schule fahren konnte. Außer Simon waren meine anderen Leibwächter noch in derselben Nacht abgereist. Und damit begann sich mein Leben endlich zu normalisieren. Seitdem hatte ich meinen Onkel nur zwei-oder dreimal gesehen. Im
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