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Der Kreis der Dämmerung 01 - Das Jahrhundertkind

Titel: Der Kreis der Dämmerung 01 - Das Jahrhundertkind
Autoren: Ralf Isau
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Tür.
    »Woher hast du gewusst, dass Hachiro in den Gang treten würde?«, fragte der Greis erstaunt, nachdem er seinen Ärmel aus Davids Griff befreit hatte.
    »Später, Ohei-san. Wer ist Hachiro?«
    »Mein Nachfolger. Ein lausiger Koch!«
    »Kann ich mir denken. Dann komm.«
    Wie im Voraus bereits besprochen, wollten sie den Felsenpalast von oben nach unten durchsuchen. Wenn sie auf jemanden vom Personal stießen, würde David das Überraschungsmoment nutzen und ihn betäuben. So lautete jedenfalls der Plan. Sofern sie eine Möglichkeit fanden jemanden zu befragen, ohne sich dadurch gleich zu verraten, dann würden sie auch das tun.
    Leise schlichen sie die weit geschwungene Wendeltreppe hinauf. Im Obergeschoss des Palastes herrschte absolute Stille. Toyama verfügte hier über ein geräumiges Tatami-Zimmer. Eine breite Fensterwand ließ tagsüber das Sonnenlicht herein. Jetzt brannten auch hier nur Laternen und kleine Öllichter.
    »Gibt es hier keinen elektrischen Strom?«, fragte David verwundert.
    »Als ich den Palast verließ, hieß es, Toyama-san wolle einen Generator anschaffen, aber wie ich ihn kenne, macht er keinen Gebrauch davon. Vielleicht genehmigt er dem Personal das elektrische Licht, aber er selbst ist ein sehr altmodischer Mann.«
    David nickte und hielt dann auf die nächste Tür zu. Dabei bewegte er sich mit großer Vorsicht. Unablässig lauschte er auf seinen sechsten Sinn. Doch weder Auge noch Ohr, weder Nase noch Sekundenprophetie meldeten eine akute Gefahr. Hinter dem Wohnraum befand sich eine quadratische Diele. Die Tür gegenüber war größer als die beiden rechts und links.
    »Da ist sein Schlafzimmer und dort sind die beiden seiner Konkubinen«, erläuterte Ohei.
    David öffnete eine Tür nach der anderen, jederzeit zu einer Verteidigung bereit. Zwischen dem großen und den beiden kleineren Räumen befand sich jeweils ein luxuriös ausgestattetes Bad. Alle Zimmer waren leer.
    »Was nun?«, fragte Ohei.
    »Weiter nach Plan: Erst wird das Untergeschoss durchsucht und dann arbeiten wir uns durch das größte Stockwerk in der Mitte.«
    Leise schlichen sie wieder die Treppe hinab. Gerade als sie in die runde Eingangshalle treten wollten, hielt David den hinter ihm gehenden Ohei mit dem Arm zurück. Er drückte sich eng an die Wand und der Alte folgte sofort seinem Beispiel.
    Aus dem Gang zu ihrer Rechten trat ein ziemlich großer Mann in die Eingangshalle. Davids Faust spannte sich um den Griff des katana. Er konnte voraussehen, was der Mann vorhatte. Als der Ahnungslose schon fast an ihm vorüber war, schnellte er aus seinem Versteck und betäubte ihn durch einen Schlag gegen das linke Schläfenbein. Um jeden Lärm zu vermeiden, fing David den schlaff zusammensackenden Körper auf und ließ ihn zum Boden hinab. Der Mann trug ein Pistolenhalfter am Gürtel und ein Gewehr über der Schulter.
    »Vermutlich ein Wächter, der gerade seinen Rundgang antreten wollte«, erklärte David dem erstaunt starrenden Alten. »Unser mandschurischer Fischer hätte sich mit ihm wahrscheinlich das schönste Feuergefecht geliefert. Mit unserer Heimlichkeit wäre es dann zu Ende. Jetzt komm, wir müssen uns beeilen, weil ich nicht genau sagen kann, wann der Mann wieder aufwachen wird.«
    David packte den Bewusstlosen unter den Achseln und schleifte ihn in den Teesalon, wo er ihn hinter einer Bambuscouch deponierte. Ohei schlurfte ihm hinterher und fragte ungläubig: »Wie konntest du nur so schnell reagieren? Ich habe den Wächter gar nicht bemerkt.«
    David grinste listig. »Wir Grünschnäbel haben vielleicht doch wachere Sinne als ihr…«
    Ohei hob schnell den Zeigefinger. »Wage es nicht, dieses ungehörige Wort noch einmal auszusprechen.«
    »Schon gut. Jetzt lass uns weitermachen.«
    Diesmal nahmen sie die Treppe zu ihrer Linken. Das Untergeschoss war weniger übersichtlich als die Räume oben. Von der Wendeltreppe her trat man in einen u-förmigen Flur, von dem mehrere Türen abgingen. Auch hier brannten Ölleuchter. David bedeutete Ohei, am Treppenabsatz stehen zu bleiben und ihn zu warnen, wenn sich oben etwas rührte. Er selbst ging das kürzere Flurstück hinunter, um zunächst den hinteren Quergang abzusuchen.
    Nacheinander öffnete er vier Türen. Hinter der einen befand sich eine erstaunlich große Bibliothek, die völlig vom Fels umschlossen war. Die Nebenräume hinter den übrigen Türen dienten als Abstellkammern, in einem stand sogar ein Bett. Als David wieder zum kurzen Gangstück bei der
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