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Der Kreis der Dämmerung 01 - Das Jahrhundertkind

Titel: Der Kreis der Dämmerung 01 - Das Jahrhundertkind
Autoren: Ralf Isau
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hier.«
    Ohei ließ sich widerspruchslos zur Tür schieben. David blickte ein letztes Mal zu seinem Widersacher hin, der irre schreiend mit dem Feuer kämpfte. Die Flammen züngelten an Toyamas Beinen empor wie bei einer Hexenverbrennung der Inquisition. Sein Gesicht glühte hinter der lodernden Wand, die immer näher auf ihn zurückte. David riss sich von dem schaurigen Anblick los und stieß den völlig benommenen Ohei den Gang entlang zur Treppe.
    Kaum hatte er diese erreicht, gab es ein neues Problem. Von oben kam ein Leibwächter heruntergerannt. Erst die Schüsse und nun Toyamas Schreie aus dem Arbeitszimmer waren für ihn wie ein Leuchtfeuer, dem er nur folgen musste. Überrascht sah sich der Wachmann plötzlich zwei blitzenden Klingen gegenüber. Die eine befreite ihn von seiner Pistole, wobei er eines Fingers verlustig ging, die andere traf ihn mit der flachen Seite an der Stirn. Der Mann kippte wie ein nasser Reissack um.
    David schleifte den vom Qualm schon fast bewusstlosen Ohei weiter. Zu seinem Schrecken lauerten oben noch zwei weitere von Toyamas Banditen, einer rechts und der andere links vom Aufgang. Er fühlte es, als er in die runde Eingangshalle treten wollte. Unschlüssig blieb er stehen.
    Was sollte er tun? Er konnte nicht beide Wächter gleichzeitig überwältigen. Sie hatten Pistolen und würden sie ohne zu zögern gebrauchen – das hatte er gesehen. David blickte an Ohei vorbei die Wendeltreppe hinab. Unter ihm kroch das Feuer bereits wie eine jagende Bestie auf den Gang hinaus. Es würde ihn über die Teppiche schneller erreichen, als ihm lieb sein konnte. Nein, es gab nur einen Weg hier hinaus, und der führte an diesen beiden Wächtern vorbei. David spannte noch einmal alle seine Nerven an. Neben sich hörte er das Röcheln des alten Mannes.
    In diesem Moment sah er die Rettung kommen. Er sprang mit einem gewaltigen Satz die letzten drei Stufen hinauf und ließ sein Langschwert nach rechts schwingen. Fast im selben Augenblick ertönte ein lauter Schuss. Während Toyamas Leibwächter beiderseits von David schwer verletzt zu Boden sanken – einer vom katana, der andere von einer Kugel getroffen –, blickte David erleichtert in das grinsende Gesicht des chinesischen Fischers.
    »Feines Gewehr, das unser Kapitän da hat«, sagte der mandeläugige Mann und schüttelte den Karabiner in Siegerpose.
    David drehte sich wieder zu Ohei um und steckte sein Kurzschwert in die Scheide zurück, damit er den Alten bei der Hand nehmen und ihm heraufhelfen konnte. Da spürte er schon den nächsten Angriff. Ehe Ohei und der Fischer sich versahen, wirbelte er herum, ließ das katana durch die Luft sausen und zerschnitt etwas in zwei Teile.
    »Hachiro!«, zischte Ohei hinter seinem Beschützer. »Du konntest noch nie mit dem Fleischerbeil umgehen.«
    Toyamas derzeitiger Koch blickte ungläubig auf den Axtkopf, der klirrend über den Boden schlitterte. In seiner Hand hielt er noch immer den Stiel, der viel zu kurz war, um ihm irgendwie von Nutzen sein zu können. Als er seine eigene Wehrlosigkeit endlich begriff, starrten seine Augen voller Todesangst in diejenigen des unheimlichen Schwertkämpfers.
    »Hilf deinem Kumpan, der da unten auf der Treppe liegt«, fuhr David den Koch an und ließ ihn völlig benommen stehen.
    Der kräftige Fischer nahm den zerbrechlichen Ohei kurzerhand huckepack und stürmte mit ihm aus dem Palast. David trug Kapitän Wangs »bestes Stück« hinterher. Als sie den oberen Treppenabsatz beim Balkon erreichten, bekam er noch einmal einen Riesenschreck.
    »Rebekka! Was suchst du denn hier?«
    Sie eilte ihm entgegen und fiel tränenüberströmt in seine Arme. »Ich habe es nicht länger da unten ausgehalten. Die Schüsse und dann das Feuer – ich dachte, ich würde dich niemals wieder sehen.«
    David konnte den Druck ihrer Hände nicht erwidern, weil die seinen vor Waffen starrten. Außerdem waren sie noch nicht in Sicherheit. Wer konnte schon sagen, welche Gefahren immer noch in diesem Felsenpalast lauerten? »Kommt!«, drängte er laut. »Wir müssen zurück zu unseren Booten, bevor uns doch noch eine verirrte Kugel trifft.«
    So schnell es ging, eilten sie über die Klippentreppe hinab. Dabei kam ihnen das Feuer zu Hilfe, das die gesamte Bucht auf gespenstische Weise beleuchtete. Aus dem ganzen Untergeschoss des Felsenpalastes leckten riesige Flammenzungen und auch oben glühten die Fenster bereits von dem Brand, der schon im Innern tobte. Dunkle Silhouetten bewegten sich auf dem
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