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Der Krater

Titel: Der Krater
Autoren: Douglas Preston
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und vom hinteren Bücherregal hatte jemand alle Bücher einfach heruntergefegt, so dass sie in wirren Haufen am Boden lagen.
    »Professor!«
    Nun begriff sie, welches Grauen das bedeutete. Der Wagen des Professors stand in der Einfahrt, er musste zu Hause sein – warum antwortete er ihr nicht? Und wo war Stamp? Ohne recht darüber nachzudenken, fummelte sie mit einer dicklichen Hand das Handy aus ihrem grünen Kittel, um den Notruf zu wählen. Sie starrte auf das Tastenfeld und brachte es nicht fertig, die Ziffern einzugeben. Sollte sie sich wirklich in so etwas verwickeln lassen? Die Polizei würde kommen und ihren Namen und ihre Adresse aufschreiben und sie überprüfen, und ehe sie wusste, wie ihr geschah, würden sie sie nach El Salvador abschieben. Selbst wenn sie von ihrem Handy aus anonym anrief, würde die Polizei sie trotzdem aufspüren, weil sie Zeugin eines … sie weigerte sich, diesen Gedanken zu vollenden.
    Grauen und Unsicherheit packten sie. Der Professor könnte oben sein, ausgeraubt, geschlagen, verletzt, vielleicht im Sterben liegend. Und Stamp, was hatten sie mit Stamp gemacht?
    Panik erfasste sie. Sie blickte hektisch um sich, und ihre großen Brüste hoben und senkten sich rasch, als sie zu keuchen begann. Tränen traten ihr in die Augen. Sie musste etwas tun, sie musste den Notruf wählen, sie konnte nicht einfach weggehen – wie kam sie nur auf diese Idee? Er könnte schwer verletzt sein. Sie musste sich zumindest umsehen, feststellen, ob er Hilfe brauchte, und sich dann überlegen, was sie unternehmen konnte.
    Sie ging auf das Wohnzimmer zu und sah darin etwas auf dem Boden liegen, wie ein zerknautschtes Kissen. Mit unerträglicher Furcht im Herzen trat sie einen Schritt vor, dann noch einen, setzte sehr vorsichtig einen Fuß nach dem anderen auf den weichen Teppich, und gab dann ein leises Stöhnen von sich. Es war Stamp, der mit dem Rücken zu ihr auf dem Perserteppich lag. Er hätte schlafen können, wie er da lag und ihm die kleine rosa Zunge aus dem Maul hing, aber seine Augen waren weit aufgerissen und blind, und auf dem Teppich unter ihm war ein dunkler Fleck.
    »Ohhh, ooohh«
, drang es unwillkürlich aus ihrem offenen Mund. Hinter dem kleinen Hund lag der Professor auf den Knien, beinahe als bete er, als wäre er noch am Leben, eigenartig aufgerichtet und im Gleichgewicht, als sollte er jeden Moment umfallen, aber sein Kopf hing zur Seite und war halb abgetrennt wie der einer kaputten Puppe. Von dem halb durchtrennten Hals baumelte eine Drahtschlaufe, deren Enden um zwei kurze Holzpflöcke gewickelt waren. Blut war wie aus einem Schlauch über die Wände und an die Decke gespritzt.
    Dolores Muños schrie und schrie. Ihr war vage bewusst, dass diese Schreie ihre Abschiebung bedeuteten, doch sie konnte nicht damit aufhören, und es war ihr gleich.

4
    W yman Ford betrat das elegante, an der 17th Street gelegene Büro von Stanton Lockwood III ., wissenschaftlicher Berater des Präsidenten der Vereinigten Staaten. Er erinnerte sich noch von seinem letzten Auftrag an diesen Raum: die Selbstdarstellungswand, die Fotos von der Ehefrau und den flachsblonden Kindern, die Antiquitäten im Washingtoner-Machtmenschen-Stil.
    Lockwood, mit silbernem Haar und Lachfältchen um die blauen Augen, kam um den Schreibtisch herum. Seine Schritte dämpfte ein teurer Sultanabad-Teppich. Er packte Fords Hand mit dem typischen Politiker-Händedruck. »Schön, Sie wiederzusehen, Wyman.« Er erinnerte Ford an Peter Graves, den weißhäuptigen Mann, der in der alten Fernsehserie
Kobra, übernehmen Sie
den Leiter des Agententeams gespielt hatte.
    »Freut mich auch, Sie wiederzusehen, Stan«, entgegnete Ford.
    »Da drüben sitzt es sich angenehmer«, sagte Lockwood und wies auf zwei lederne Ohrensessel, die ein Louis- XIV -Tischchen flankierten. Ford ließ sich nieder, und Lockwood setzte sich ihm gegenüber, wobei er leicht an den Bügelfalten seiner Gabardinehose zupfte. »Wie lange ist das jetzt her, ein Jahr?«
    »Mehr oder weniger.«
    »Kaffee? Pellegrino?«
    »Kaffee, gerne.«
    Lockwood gab seiner Sekretärin einen Wink und lehnte sich in seinem Sessel zurück. Der alte Handschmeichler, ein Trilobit, erschien in seiner Hand, und Ford beobachtete, wie er ihn nachdenklich zwischen Daumen und Zeigefinger rieb. Er bedachte Ford mit einem professionellen Washington-Lächeln. »Irgendwelche interessanten Fälle in letzter Zeit?«
    »Ein paar.«
    »Haben Sie Zeit für einen neuen?«
    »Falls er auch nur
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