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Der Krater

Titel: Der Krater
Autoren: Douglas Preston
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Abbey war klar: Dies war das größte Ereignis, das Round Pond, Maine, gesehen hatte, seit eine verirrte Kanonenkugel im Britisch-Amerikanischen Krieg 1812 das Dach der Kongregationalistenkirche durchschlagen hatte.
    Plötzlich fiel Abbey ihr Teleskop wieder ein. Die Blende war offen, die Aufnahme lief. Mit zitternder Hand fasste sie nach dem Auslöser und beendete sie. Gleich darauf erschien das Bild auf dem kleinen LCD -Bildschirm des Teleskops.
    »O Gott, sieh mal.« Das Ding war mitten durch das Bild gerast, ein strahlend weißer Streifen zwischen ein paar verstreuten Sternen.
    »Es hat dein Bild verdorben«, sagte Jackie, die ihr über die Schulter spähte.
    »Machst du Witze? Es
ist
das Bild!«

2
    A m nächsten Morgen schob Abbey sich mit einem Stapel Zeitungen unter dem Arm durch die Tür des Cupboard Café. Das fröhliche Blockhaus mit seinen karierten Vorhängen und marmornen Tischplatten war fast leer, aber Jackie saß in ihrer angestammten Ecke und trank Kaffee. Ein feuchter Morgennebel drückte sich an die Fensterscheiben.
    Abbey eilte hinüber und klatschte die
New York Times
so auf den Tisch, dass der Artikel auf der unteren Hälfte der Titelseite vor ihrer Freundin lag. Sie las vor:

    Meteorit erleuchtet Küste von Maine

    Portland, Maine. Um 21.44 Uhr zog ein großer Meteorit über den Himmel von Maine und erzeugte eine der bemerkenswertesten Leuchterscheinungen, die man seit Jahrzehnten in Neuengland gesehen hat. Zeugen aus so weit entfernten Orten wie Boston oder Nova Scotia meldeten Sichtungen des spektakulären Feuerballs. Bewohner der Region Midcoast Maine hörten Überschallwellen.
    Die Aufzeichnungen eines Beobachtungssystems an der University of Maine in Orono weisen darauf hin, dass der Meteorit um ein Vielfaches heller war als der Vollmond und möglicherweise bis zu fünfzig Tonnen wog, als er in die Erdatmosphäre eintrat. Die einzelne Lichtspur, die Zeugen beschreiben, deutet darauf hin, dass es sich um einen Meteoriten vom Eisen-Nickel-Typ handelte, da hier die Wahrscheinlichkeit, dass der Körper im Flug in mehrere Teile zerfällt, wesentlich geringer ist als bei den häufiger vorkommenden Stein-Eisen-Meteoriten oder Chondriten. Seine Geschwindigkeit berechneten die Wissenschaftler auf zirka 48 km pro Sekunde – dreißig Mal schneller als eine gewöhnliche Gewehrkugel.
    Dr. Stephen Chickering, Professor für Astrogeologie an der Boston University, sagte dazu: »Das ist keine gewöhnliche Sternschnuppe. Das ist der größte und hellste Meteorit, den man an der Ostküste in Jahrzehnten gesehen hat. Seine Flugbahn führte ihn aufs Meer hinaus, wo er im Ozean landete.«
    Er erklärte darüber hinaus, dass bei der Reise durch die Erdatmosphäre ein Großteil der Masse verglühte. Das Objekt, das schließlich ins Meer stürzte, wog seiner Ansicht nach wahrscheinlich weniger als 50 Kilogramm.
    Abbey brach ab und grinste Jackie an. »Hast du verstanden?
Er ist im Meer gelandet.
Das steht in sämtlichen Zeitungen.« Sie lehnte sich zurück, verschränkte die Arme und genoss Jackies verwunderten Blick.
    »Okay«, sagte Jackie. »Ich sehe dir an, dass du irgendeine Idee hast.«
    Abbey senkte die Stimme.
»Wir werden reich.«
    Jackie verdrehte theatralisch die Augen. »Das habe ich doch schon mal gehört.«
    »Diesmal meine ich es ernst.« Abbey sah sich um, dann zog sie ein zusammengefaltetes Blatt Papier aus der Tasche und breitete es auf dem Tisch aus.
    »Was ist das?«
    »Das ist der Ausdruck der Daten der Go MOOS -Wetterboje vier-vier-null-drei-zwei zwischen einundzwanzig Uhr vierzig und zweiundzwanzig Uhr vierzig. Das ist diese Messboje draußen am Webber Sunken Ledge.«
    Jackie starrte auf das Blatt und runzelte die sommersprossige Stirn. »Die kenne ich.«
    »Sieh dir mal die Wellenhöhe an. Völlig still. Keinerlei Veränderung.«
    »Und?«
    »Ein fünfzig Kilo schwerer Meteorit schlägt mit um die fünfzig Kilometer pro Sekunde auf und macht keine Wellen?«
    Jackie zuckte mit den Schultern. »Wenn er nicht im Meer gelandet ist, wo dann?«
    Abbey beugte sich vor, faltete die Hände und zischelte mit vor Triumph geröteten Wangen: »Auf einer Insel.«
    »Und?«
    »Und wir borgen uns das Boot meines Vaters, suchen die Inseln ab und holen uns den Meteoriten.«
    »Borgen? Du meinst stehlen. Dein Vater würde dir niemals sein Boot
borgen

    »Borgen, stehlen, requirieren, wie auch immer.«
    Jackies Miene verfinsterte sich. »Bitte, nicht noch so eine sinnlose Aktion. Weißt du noch, wie wir
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