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Der König Von Korsika

Titel: Der König Von Korsika
Autoren: Michael Kleeberg
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einzig adäquate Reaktion auf die Scham erscheinen ließ, die Alfons verspürte.
    Was soll aus mir werden, wenn ich jetzt dieses Glück verpasse, wenn ich Amalia nicht gewinne? fragte er sich und dachte an die Bogenstreicherin mit den geschlossenen Augen, das braunglänzende Tier zwischen ihren Schenkeln und dann an die trübe Heimat, wo all seine Bildung zu nichts nutze war, und diese Kaufmannswelt, in der man für das bißchen Wohlleben hart zu arbeiten und sich die Finger zu beschmutzen hatte.

    Die Ehe mit Amalia gegen alle Widerstände durchzusetzen, war womöglich die einzige Großtat, die es für jemanden wie ihn zu begehen und bestehen gab. Ein Entschluß wie Kolumbus’ Einschiffung auf Entdeckungsfahrt. Aber das Glück, das er finden wollte, war ein Kontinent der Häresie, von allen Karten getilgt. Kein Gefühl und persönliches Gelüst, wie machtvoll auch immer, rechtfertigte eine Mesalliance. Die Ungeheuerlichkeit seiner Liebesrevolution nahm ihm den Atem, machte ihm aber dennoch keine angst. Bevor er nicht handelte, konnte nichts passieren, man konnte also auch nicht wissen, was passieren mochte. Das heißt, theoretisch konnte man es wohl wissen: Skandal und gesellschaftliche Ächtung drohten, aber es war wie beim Schach, wenn ein ungedeckter Läufer eine Dame herausfordert. Sie konnte ihn schlagen, es gab eigentlich gar keinen Grund, es nicht zu tun, aber sie hatte eben auch noch so und so viele andere Zugmöglichkeiten. Und zog er nicht selbst, würde er nie erfahren, wie die Welt darauf reagierte.
    Pujol reagierte alles andere als erfreut, er mußte sich Mühe geben, nicht zu vergessen, sich als geehrt zu bezeichnen, bevor er Alfons von der Absurdität seines Begehrens zu überzeugen begann, wobei er die wirklichen Gründe seiner ablehnenden Haltung ja gar nicht erwähnen konnte. Je höher sich aber die Hindernisse vor dem nun einmal ausgesprochenen Entschluß türmten, desto hartnäckiger und eloquenter bestand Alfons auf ihm. Er ging sogar so weit, in wohltemperierte Tränen auszubrechen und den Kaufmann anzuklagen, selbst er, vor dem er den allergrößten Respekt hege, sei der Feind seines Glücks, wobei dieser Respekt und das Wissen, daß Amalia ihres Vaters Stütze und Stab, sein Augapfel sei, es ihm selbstverständlich verbiete, sie je gegen seinen Willen zu ehelichen.
    Amalia selbst war beeindruckt von Alfons’ Willen und seinem Interesse für sie. Ohne zu wissen, ob sie ihn denn
auch liebe, oder dieser Frage besondere Wichtigkeit beizumessen, fand sie es ganz in der Ordnung, dem Mann zu folgen, der sich nächst ihrem Vater am intensivsten um sie bemühte. Auch sie wußte nichts von der Vermögenslage Pujols, übrigens ebensowenig von der ihres Freiers.
    Als Alfons’ hysterische Werbung das Zusammenleben unerträglich zu machen begann und er schließlich noch in eine Art psychosomatisches Fieber fiel, das auch durch mehrere Aderlässe nicht zu lindern war, als dann durch eine gewissermaßen seelisch-solidarische Ansteckung auch Amalia ernstlich erkrankte, blieb Pujol – um so weniger als Hainaut schlechte Nachrichten betreffs seines Sohnes schickte – keine andere Wahl, als dem delirierenden Alfons sozusagen in articulo mortis die Hand seiner Tochter zu gewähren, woraufhin es keine Woche dauerte, bis der junge Mann von den Toten erstanden war und die Heirat stattfinden konnte.
    Der Rest von Alfons’ Geschichte und Leben ist schnell erzählt. Denn leider sollte seine heroische Entscheidung, gegen alle Konventionen seines Standes sein persönliches Glück zum Mittelpunkt und Ziel seines Lebens zu machen, sein größter Moment und einziger Triumph bleiben. Die Hochzeit fand im Oktober 1693 statt, der Bräutigam war siebenundzwanzig Jahre alt.
    Zuallererst ging er daran, seine Eltern von seiner Ehe in Kenntnis zu setzen. Er brauchte mehrere Tage, den langen Brief fertigzustellen, denn nachdem er seinen Willen tatsächlich bekommen hatte, beschlich ihn eine Art innere Erschlaffung, und er erwartete unbewußt, da er nun schon soviel getan hatte, müßten auch die anderen mit gutem Willen folgen und das ihre zum Gelingen des Unternehmens beitragen.
    Die Sätze gerieten ihm immer länger, apologetische Parenthesen umklammerten die einfachen Aussagen wie Riesenkraken, und unter der Hand formte sich sein Schreiben
zu einem Hilferuf nach Verständnis und (finanzieller) Unterstützung.
    Die Antwort von der Hand seiner Mutter ließ lange auf sich warten und war, als sie dann eintraf, ebenso kurz wie
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