Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der König Von Korsika

Titel: Der König Von Korsika
Autoren: Michael Kleeberg
Vom Netzwerk:
vernichtend. Die Baronin verbat sich weitere Belästigungen ihres zutiefst enttäuschten Gatten, untersagte Alfons, jemals wieder das elterliche Haus aufzusuchen, und teilte ihm bündig mit, er sei enterbt und beide Eltern hätten keinerlei Interesse zu erfahren, wie es fürderhin einem Sohn erginge, der gleich bei seinem ersten Eintreten in die Welt sich so erbärmlich kompromittiert habe.
    Etwas in dieser Art war ja bei nüchterner Betrachtung vorauszusehen gewesen, und doch schockierte es Alfons tief, und es lähmte ihn, feststellen zu müssen, daß sein sonniges Wesen und sein argloses Vertrauen darauf, dank seines Charmes vom Leben begünstigt zu werden, mit einem Mal an schroffe Grenzen stießen und nichts mehr gelten sollten. Es wurde in der kurzen Frist, die ihm noch blieb, deutlich, daß er sich verausgabt hatte mit seiner Entscheidung, seinem Glück leben zu wollen, und daß er für die Bewältigung seines weiteren Lebens keine Reserven mehr besaß.
    Der alte Pujol starb kein Jahr nach der Hochzeit und hinterließ seiner Tochter nach der Liquidierung seines Geschäfts bescheidene elftausend Gulden. Bezeichnenderweise hatte er seinem Schwiegersohn nie vorgeschlagen, es etwa selbst zu übernehmen, und wenn die Eroberung seines Glücks für den Baron eine kompromittierende Ehe rechtfertigte, so doch niemals eine kompromittierende Tätigkeit. Blieb nur mehr die soldatische Karriere. Alfons verwandte die Mitgift, um eine Kompanie aufzustellen, als deren Hauptmann er das Kommando eines Forts bei Metz übernahm, in einer der frisch eroberten Taschen oder réunions , die der pfälzische Krieg König Ludwigs nahe der umkämpften Frontlinie hatte entstehen lassen.

    Das Fort war eine der genialen Konstruktionen Vaubans, das heißt, genial war es als Verteidigungsstellung, zum Leben, vor allem für eine schwangere Frau, war es ein Alptraum. Zugige Korridore, in denen die Nässe giftgelbe Pilze von den Decken wuchern ließ, der eisige lothringische Wind, der über die Hochebene brauste, sich im Innenhof verfing und durchs Logis zog, der Lärm der exerzierenden Soldaten, der durch die Privatzimmer des Hauptmanns hallte, der ewig verhangene Himmel, der blasse Gemüsegarten, den Amalia an der Innenhofmauer der Kommandantenwohnung hochpäppelte. Die in verschiedenen breiten Dialekten plärrenden Gesänge und das betrunkene Gegröle der Soldaten, ihre verstohlenen Tierblicke auf die junge Frau – das granitene Fort auf der Hochebene war ein kaltes Fegefeuer, und je mehr Zeit verging, desto wahrscheinlicher erschien es, daß die Strafe auf lebenslänglich lautete.
    Jedes Gesuch Alfons’ nach Versetzung, jede Eingabe nach Beförderung blieb unbeantwortet, wurde abschlägig beschieden oder verschleppt. Bis auf wenige Scharmützel war das Leben im Fort ruhig, zu ruhig, die Soldaten langweilten sich, mußten diszipliniert, beschäftigt und besoldet werden, da keiner von ihnen fiel. Alfons, vom militärischen Leben und der feuchten Granitdüsternis des Gemäuers eher geschwächt als gestählt – er begann zu husten -, konstatierte melancholisch, daß seine heroische Tat gegen jede Würfelwahrscheinlichkeit ausschließlich zum Schlechten ausgeschlagen war, und fragte sich, wie lange das Schicksal ihn denn noch foppen wolle. Im Grunde erwartete er nach wie vor eine Art Belohnung für seinen damaligen Mut und letztlich auch für seine Person als solche, ganz unabhängig von ihren Taten.
    Er mietete, als Amalia begann, sich täglich zu übergeben, die Tour aux Puces in Diedenhofen an, wo am vierundzwanzigsten August 1694 sein Sohn geboren und auf den
Namen Theodorus Antonius Alfons getauft wurde. Das Wochenbett zog sich hin, denn die Blutungen nach der Entbindung des großen und kräftigen Knaben wollten nicht aufhören, und als Amalia schließlich mit dem Kind und einer Amme und Zugehfrau namens Minne, die wie die Neuhoffs aus Westfalen stammte, ins Fort zurückkehrte, schimmerte ihre Schläfenhaut durchsichtig und blaugeädert wie Chinaporzellan.
    Im Frühjahr darauf war sie erneut in Hoffnung, und nichts hatte sich geändert. Latenter Kriegszustand, Regen, Wind, Kälte, die dunklen, klammen Räume des Logis, die die Kleider in den Schränken schimmeln ließ, der immer häufiger hustende und spuckende Alfons, dessen ergrauende Schläfen und abgezehrtes Gesicht ihn noch schöner erscheinen ließen; keine Versetzung, keine Beförderung, kein Geld, und daher auch nicht die Spur eines gesellschaftlichen Lebens.
    Der Umgang zwischen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher