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Der Kleine Mann und die Kleine Miss

Der Kleine Mann und die Kleine Miss

Titel: Der Kleine Mann und die Kleine Miss
Autoren: Erich Kästner
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schon, der Junge sei eingeschlafen.
    Doch
mit einem Male fing Mäxchen wieder zu reden an. »Da ist noch etwas. Noch ein
Gespräch ohne Licht. Hörst du zu?«
    »Freilich.«
    »Ich
weiß, warum ihr nicht geheiratet habt.«
    »So?«
    »Mir
zuliebe. Ich tat euch Leid. Ihr dachtet, ich käme mir sonst zu einzeln vor.«
    »Werde
nicht melodramatisch«, warnte der Jokus. »Sonst knipse ich die Lampe an.«
    »Bitte
nicht!«
    »Na
schön. Ich frage dich also im Dunkeln: Warum glaubst du, wir hätten deinetwegen
nicht geheiratet?«
    »Weil
es wahr ist«, erklärte Mäxchen. »Du hast es selber gesagt: zweimal, als der
Zirkus in Glasgow gastierte, einmal in London, zweimal im Schloss von
Breganzona und einmal hier, in der Silvesternacht.«
    »Da
hört doch alles auf«, meinte der Jokus. »Dass du schwindelst, ist schon hart
genug. Dass du dabei aber auch noch mit Orts- und Zeitangaben um dich wirfst…«
    »Du
sprichst nämlich im Schlaf!«, sagte Mäxchen laut. Kein Wort weiter. Aber das
genügte. Daraufhin war es lange Zeit sehr still. Wenigstens in dem dunklen
Zimmer. Draußen rumorte der Südwind heftiger als zuvor. Die Bäume bogen sich
und stöhnten und seufzten, als hätten sie Rückenschmerzen. In der Ferne pfiff
ein Zug.
    Schließlich
seufzte der Jokus, als habe auch er Rückenschmerzen, und sagte: »Ab morgen
stopfe ich dir jeden Abend vorm Schlafengehen Watte in die Ohren.«
    Mäxchen
lachte leise. »Wozu denn?«, fragte er. »Seit Mielchen da ist, bin ich ja nicht
mehr einzeln! Jetzt könnt ihr doch heiraten, ohne dass euch das Gewissen beißt!
Mielchen ist ganz meiner Meinung.«
    »Was
denn? Du hast mit ihr über Rosa und mich und das alles gesprochen?«
    »Ich
wollte gar nicht. Aber sie hat es herausgekriegt.«
    »Was
soll das heißen? Herausgekriegt?«
    »Nun
ja, das kam so... Wir aßen bei uns zu Mittag. Es gab Sternsuppenschnupfen,
nein, Sternschnuppensuppe mit Grüßklößchen. Dann legte ich mich für
Nureinviertelstündchen aufs Sofa und schlief ein. Mielchen saß daneben. Sie
häkelte an einem Topflappen aus Topflappland. Das gibt es natürlich gar nicht.«
    »Und?«,
fragte der Jokus ungeduldig. »Weiter?«
    »Mielchen
häkelte und hörte mir zu.«
    »Wieso
hörte sie dir zu? Ich denke, du schliefst?«
    »Lieber
Jokus, sei nicht böse«, sagte Mäxchen ängstlich, »und auslachen darfst du mich
auch nicht. Aber…«
    »Was
aber?«
    »…mir
geht es ganz genau wie dir. Und ich habe es genauso wenig gewusst. Bis es
Mielchen gemerkt hat. Ich... ich spreche auch im Schlaf!«
    Da
begann der Jokus zu lachen, dass die Fensterscheiben klirrten. Es klang, als
könne er nie wieder aufhören. Mäxchen fing auch an. Und so lachten sie
zweistimmig, bis jemand die Tür aufriss und das Licht einschaltete.
    Es
war Rosa Marzipan. Sie trug einen hellblauen Pyjama, hatte bereits geschlafen
und fragte entgeistert: »Was soll denn dieses Höllengelächter? Noch dazu im
Dunkeln? Seid ihr übergeschnappt?«
    »Nein,
das nicht«, fing der Jokus an. Doch dann packte ihn die Lachlust von neuem, und
auch Mäxchen stimmte wieder ein und zog sich vor Wonne an den Haaren.
    Das
Marzipanfräulein setzte sich auf die Bettkante, nahm die Hand des Professors,
fühlte ihm den Puls und sagte, sanft wie eine Krankenschwester: »Lasst euch
bitte nicht stören. Ich habe Zeit.«
     
    Alles
hat einmal ein Ende. Auch ein Gelächter, das nicht enden will. So erfuhr Rosa
nach und nach, worüber die beiden im Dunkeln gesprochen hatten.
    »Na
schön«, meinte sie fröhlich, »da werde ich also meine Marzipanjahre einmotten
und Frau Hokuspokus werden.«
    »Aber
vorher musst du bei mir um seine Hand anhalten«, erklärte Mäxchen. »Am besten
ist, du tust es gleich. Dann haben wir’s hinter uns.«
    »Jetzt?«,
fragte sie. »Im Pyjama? Schickt sich das?«
    »Jetzt!«,
befahl Mäxchen.
    Und
der Jokus sagte: »Sonst bleibst du Fräulein.«
    Da
stand sie rasch auf, machte vor der Streichholzschachtel auf dem Nachttisch
einen tiefen Hofknicks und deklamierte: »Allerwertester Herr von Pichelsteiner,
ich bitte Sie trotz der vorgerückten Stunde um die berühmte Hand des berühmten
Taschendiebes Jokus von Pokus.«
    Mäxchen
war aus seiner Schachtel herausgeklettert, verbeugte sich vor Rosa Marzipan und
sagte: »Es sei. Ich händige Ihnen hiermit seine Hand aus.«
    »Ich
möchte nicht unbescheiden sein«, fuhr sie fort, »aber daran erinnern, dass er
zwei Hände hat.«
    »Da
hast du’s, mein Kleiner«, seufzte der Jokus. »Erst bat sie nur um eine Hand.
Nun
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