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Der Kleine Mann und die Kleine Miss

Der Kleine Mann und die Kleine Miss

Titel: Der Kleine Mann und die Kleine Miss
Autoren: Erich Kästner
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Mielchen!« Und damit beginnt...

DAS NEUNTE UND
LETZTE KAPITEL
     

Freundschaft auf den ersten Blick / Mielchen kocht ›Quatsch
mit Soße‹ / Mrs. Simpson will fort und
bleibt / Was sind männliche Knopflöcher? /
Polterabend und Aschermittwoch / Mäxchen und
Mielchen sagen nicht, worüber sie gelacht haben.
     
    Als
Mrs. Jane Simpson (aus Fairbanks, Alaska) in Kloten bei Zürich aus dem Flugzeug
stieg und an der Sperre ihren Pass stempeln ließ, wunderte sich kein Mensch,
dass sie nur fünfzig Zentimeter groß war. Auf internationalen Flugplätzen hat
man sich das Wundern längst abgewöhnt.
    Sogar
wenn jemand mit zwei Köpfen ankäme oder ganz und gar ohne Kopf, auch dann gäbe
es nicht die mindeste Aufregung. Wenn im Pass unter der Rubrik ›Besondere
Kennzeichen‹ ›zwei Köpfe‹ oder ›kopflos‹ stünde, wäre alles in bester Ordnung.
    Wie
gesagt, über die bloß einen halben Meter große Mrs. Simpson in ihrem Mantel aus
Seehundfell wunderte sich niemand. Es bemerkte auch keiner, wie sie dem Jokus
rasch und ängstlich etwas in die Hand drückte und wie er dieses Etwas behutsam
in die Brusttasche steckte. Erst danach fand die förmliche Begrüßung statt.
Mrs. Simpson hatte vor lauter Dankbarkeit Tränen in den Augen. Rosa Marzipan
meinte munter, das sei übertrieben. Und der Professor winkte einem Taxi.

    Nun
steckten also zwei Däumlinge in seiner Brusttasche, ›Hoffentlich haben sie
genügend Platz‹, dachte er. ›Ich muss mit meinem Schneider darüber sprechen.‹
Dann reckte er den Hals, drehte die Augen nach unten und versuchte, sich in die
eigne Brusttasche zu blicken. Er sah Mäxchens Wuschelkopf und, gleich daneben,
eine winzige Pferdeschwanzfrisur mit einem roten Samtbändchen. Das war also
Miss Emily Simpson.
    Der
kleine Mann und die kleine Miss staunten einander an und sagten kein einziges
Wort, doch dann lächelten beide. Später spürte Mäxchen, wie sich eine Hand in
seine Hand schob. Da drückte er herzhaft zu.
    Es
war Freundschaft auf den ersten Blick, und das ist ja auch kein Wunder. Das
große Los zieht man nicht alle Tage, sondern nur einmal im Leben, und nicht
einmal das ist ganz sicher. Die meisten ziehen Nieten, oder sie erwischen mit
Ach und Krach einen Trostpreis. Doch wir wollen nicht neidisch sein. Neid
verdirbt den Teint.
    Im
Zug nach Lugano waren sie immer noch sehr scheu und schüchtern. Eigentlich
hatte Mäxchen mit ihr zusammen die vielen Tunnels zählen wollen. Aber dann
traute er sich doch nicht, den Mund aufzumachen. Ihm war zumute, als habe man
ihm ein Heftpflaster draufgeklebt.
    Erst
in dem zehn Minuten langen Gotthardtunnel fasste er sich ein Herz. »Ich werde
dich Mielchen nennen«, flüsterte er ihr ins Ohr.
    Da
lachte sie leise und flüsterte: »Mäxchen und Mielchen, das klingt hübsch.«
    »Und
Mielchen und Mäxchen«, sagte er, »das klingt noch hübscher. Außerdem ist es
höflicher.«
    Sie
kicherte. »Du bist ein regelrechter Gentleman.«
    In
diesem Augenblick fuhr der Zug aus dem Tunnel mitten in die südliche Sonne
hinein. Sie blinzelten und lächelten. »So schön kann es also sein«, sagte
Mielchen und wunderte sich. Glück war ihr völlig neu.
     
    Am
nächsten Abend feierten sie Silvester. Tags darauf feierten sie das neue Jahr.
Und auch die Wochentage, die dann folgten, sahen Feiertagen zum Verwechseln
ähnlich. Natürlich schlug man nicht in einem fort Kobolz. Und Mielchen und
Mäxchen hopsten auch nicht pausenlos im Weihnachtsbaum herum. Schon deswegen
nicht, weil die kleine Miss leicht schwindlig wurde. Als Mäxchen mit ihr auf
der Taube Emma ein paar Runden gedreht hatte, musste sie sich eine
Viertelstunde hinlegen.
    »Schade«, sagte Mäxchen, »eine Artistin wirst du
nicht.«
    »Es
muss auch Zuschauer geben«, meinte Mielchen. Und ich halte es für
ausgeschlossen, dass zu diesem Thema Treffenderes zu sagen wäre. Wenn sie in
der ›Villa Glühwürmchen‹ kochte, war die kleine Miss völlig schwindelfrei. Sie
kochte, backte und briet, dass es nur so rauchte. Und wenn sie wirklich nicht
mehr weiterwusste, rief sie von dem kleinen Telefon aus ihre Mutter an, die in
der großen Villa für die Großen kochte.
    Mäxchen
saß gern in der Küche und schaute Mielchen zu.
    Manchmal
las er ihr auch etwas vor. Und manchmal kochten sie, absichtlich, dummes Zeug.
»Heute Mittag gibt’s ›Quatsch mit Soße‹«, sagten sie dann begeistert, oder
›Unsinn mit rechteckigem Kartoffelsalat‹ oder ›Veilchenpastillen mit Dill vom
Grill‹, und was das
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