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Der kleine Erziehungsberater

Titel: Der kleine Erziehungsberater
Autoren: Axel Hacke
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Wesen verwandeln, die da träumen fort und fort.
    Peter Rühmkorf schreibt freilich in seinem famosen Buch »agar agar zaurzaurim. Zur Naturgeschichte des Reims und der menschlichen Anklangsnerven« dem Reim nicht nur Unterhaltungswert zu. Er nennt ihn auch »ein sinnenfälliges Schiedsinstrument, mit dem sich Händel schlichten, Konkurrenzen austragen und individuelle Rechtsansprüche gegen die Forderungen des Gemeinsinns durchsetzen lassen beziehungsweise kollektive Verhaltensnormen gegen den subjektiven Störversuch verteidigen«. Der kindliche Wille reagiere »auf Endreimglocken wie auf Donnerworte und Gesetzestexte«. Mal abgesehen davon, dass meine Kinder weder auf Donnerworte noch auf Gesetzestexte sonderlich intensiv reagieren: Wie wahr! Dem Kind ist recht, was sich reimt.
    Man lausche nur ein wenig an der Kinderzimmertüre. Anne wird irgendwann Max’ Protzen mit seinen Lego-Autos mit einem »Angeber, Tütenkleber« beantworten. Danach das dumpfe Trommeln von Max’ Fäusten auf Annes Brustkorb. Danach Annes grässliches Heulen. Danach ihre Worte: »Hat ja gar nicht weh getan, bist ja nur aus Marzipan.« Danach Ruhe. Weiterspielen.
    Zum Schluss aus Max’ Schatzkästlein der zur Zeit aktuelle Hit unter den Abzählversen: »Meister Eder geht aufs Klo, steckt den Finger in den Po, kriegt ihn nicht mehr raus, und du bist raus.«
    Ja, schläft ein Lied in allen Dingen …
Loslassen, gefälligst!
    D as Dreirad heißt Dreirad, weil man eines geschenkt bekommt, wenn man drei Jahre alt ist, hat Anne gesagt. Aber Max ist ja nun schon fünf, und er hat seit einem Jahr ein richtiges Fahrrad. Bloß richtig benutzt hatte er es bis vor kurzem noch nie, weil der Erziehungsberater die Stützräder abgeschraubt hatte, und ohne Stützräder wollte Max nicht Rad fahren. Er solle üben, hat der Erziehungsberater gesagt, üben, üben, üben. So sei es nun mal: Eines Tages fielen die Stützen weg, und man müsse allein fahren, das sei das Leben. Dazu war der Max zu faul. Talentierter Junge in allem. Aber ein bisschen faul. Wer weiß, woher er das hat. Und der Erziehungsberater? Hatte keine Lust, die Stützräder wieder dranzuschrauben. So stand das Fahrrad herum. Dann habe ich eines Sonntags mit Anne eine Fahrradtour zum Aumeister gemacht, und abends haben wir dem Max die ganze Zeit vom Biergarten vorgeschwärmt und wie herrlich es am Aumeister ist. Dass man da viel Eis geschenkt bekommt! Auf einem wunderschönen Spielplatz spielen darf! Unterwegs Schafe sieht! Aber man könne leider praktisch nur mit dem Radl hinfahren. Der Max hat still zugehört, und am nächsten Tag hat er gefragt, ob jemand mit ihm Radfahren üben könne.

    Wenn’s unbedingt sein muss, habe ich geseufzt. Vielleicht morgen, hat Antje sehr gedehnt gesagt.
    »Jetzt sofort!«, hat der Max gerufen. Dann sind wir abwechselnd um den Block mit dem Max und seinem Fahrrad, immer in tiefgebückter Haltung und die
     rechte Hand am Sattel, damiter nicht umkippt, der Max. Das strengt an, aber immer, wenn wir eine Pause machen wollten, hat er gebrüllt: »Halt mich fest!« (Ist halt ein autoritäres Kind.) Dann sausten wir wieder los, schwitzend ich und er in bester Laune. Ungefähr beim dritten Versuch hat er das Freihändigfahren üben wollen, beim vierten den Plastikgriff vom Lenker gedreht und behauptet, das sei ein Funkgerät (»Hier komme ich!«, hat er hineingebrüllt), beim fünften das Lenken vergessen, weil auf dem Fußballplatz, an dem wir vorbeikamen, der Andreas stand, »weißt du noch, Papa, der neulich mein Piratenschiff geschenkt haben wollte«, und beim sechsten hat er geschrien: »Jetzt rase ich in den Zaun da, aber voll, hey.« Und jedes Mal hat er auf der Nase gelegen, aber voll, hey. Weh getan hat ihm das nicht, so toll hat er das Radfahren plötzlich gefunden, und abends, da hat er es wirklich gekonnt. Als ich ihn aus lauter Gewohnheit immer noch am Sattel festhalten wollte, hat er gerufen: »Loslassen, gefälligst!« Schon war er verschwunden, um die Ecke beim Mülltonnenhäuschen.
    Wie gesagt: Eines Tages fallen die Stützen weg, und man fährt allein, und sie bleiben nutzlos zurück, die Stützen. So ist das Leben.
    Nächstes Wochenende will der Max mit der Anne zum Aumeister fahren. Wenn ich schön artig bin, nimmt er mich ja vielleicht mit und kauft mir eine Maß.
Schnullereien
    N eulich träumte ich, vom Atlantik zöge ein Tief daher mit dicken grauen Wolken, die sich über unserer Stadt öffneten – und siehe: Es regnete Schnuller. Rosa
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