Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der kleine Erziehungsberater

Titel: Der kleine Erziehungsberater
Autoren: Axel Hacke
Vom Netzwerk:
Herr Stielike?«
    Stielike: »Ja?«
    Vater: »Hier läuft Wasser die Treppe herunter. Und in der Küche brennt es.«
    Stielike: »Oh.«
    Vater: »Mein Sohn hat auf dem Küchentisch Feuer gemacht. Aber wenn das Wasser höher steigt, wird es das Feuer löschen.«
    Stielike: »Kann ich etwas für Sie tun?«
    Vater (kichert nervös): »Meiner kleinsten Tochter steht das Wasser bis zum Hals. Ja, Marie, ich komme gleich. Sagen Sie, wie hoch ist denn die Durchschnittsrendite Ihrer Papiere?«
    Stielike: »Wie können Sie von Geld reden in Ihrer Lage?«
    Vater (lacht irre): »Die beiden Großen sind jetzt rausgelaufen. Die Kleine zieh’ ich gleich aus dem Wasser. Wir haben einen Moment Ruhe. Nennen Sie mir die Durchschnittsrendite. Kann man die Zinsen thesaurieren?«
    Stielike: »Sie sind ja wirklich wahnsinnig!«
    Vater: »Warum bin ich wahnsinnig? Weil ich drei Kinder habe?«
    Stielike legt verzweifelt auf.
    Vater: »Stielike! Stielike!!! Die Rendite, nennen Sie mir die Rendite. Die Renditike, ich will sie wissen, Mann. Hier ist es gerade ganz ruhig.«
    Seine Stimme verhallt. So kam es, dass ein Vater von drei Kindern nicht reich wurde, obwohl er das Geld dringend gebraucht hätte.
Sprachgewalt
    H eute wollen wir zuhören, wie ein Vater seinem Kind das Sprechen beibringt, ja? Das Kind wird bald zwei Jahre alt. Es heißt Marie und beherrscht erst drei Worte: Ja, ajjo und Dieter. Ja heißt ja, ajjo heißt hallo, und Dieter heißt »dies da« und wird von dem kleinen Kind immer gesagt, wenn es auf einen bestimmten Gegenstand zeigt. Mehr Worte kennt das Kind nicht, auch das Wort »Nein« ist ihm noch fremd (ach, ein schönes Alter eigentlich).
    Das Kind betritt den Raum. »Hallo, Marie.«
    »Ajjo!«
    »Marie, möchtest du sprechen lernen …?«
    »Ja.«
    »Oh, Wahnsinn! Du verstehst mich ja schon. Pass auf, Marie, sag doch mal: Ohr!«
    »Ajjo!«
    »Marie, schau mal hier. Das ist ein Ohr.«
    »Ajjo!«
    »… ein Ohr, das hier.«
    Das Kind zeigt mit dem Finger auf sein Ohr: »Dieter!«
    »Ja, das da. Es ist ein Ohr.«
    Das Kind, den Finger immer noch am Ohr: »Dieter.«
    »Ja, ein Ohr. Sag: Ohr.«
    »Oa.«
    »Ja, super. Du kannst es ja sagen, dein viertes Wort. Nun pass auf. Das hier vorne, das ist deine Nase.«
    Das Kind zeigt auf seine Nase. »Dieter.«
    »Ja, das da, es ist die Nase.«
    »Oa.«
    »Nein, es ist die Nase.«
    »Oa.«
    »Nase, nicht Ohr.«
    »Oa.«
    »Nase.«
    »Oa. Dieter. Oa.«
    Zwei etwas größere Kinder, Anne und Max, betreten den Raum.
    »Ajjo!«
    »Weißt du eigentlich schon, Papa, dass Marie alles versteht, was man sagt?«, sagt Anne. »Sie kann Fragen beantworten.«
    Papa: »Nee, wusste ich nicht.«
    Anne (kichernd): »Marie, frisst du Klopapier?«
    »Ja.«
    Anne wälzt sich lachend unter dem Tisch.
    Max (grinsend): »Marie, trinkst du aus der Kloschüssel?«
    »Ja.«
    Max wälzt sich lachend unter dem Tisch.
    Papa: »Marie, ist dein Papa ein Idiot?«
    »Ja.«
    Marie wälzt sich lachend unter dem Tisch. Den Vater ergreift eine tiefe Melancholie. Nie wird sein Kind sprechen lernen. So viele Kinder können mit zwei schon ganze Sätze sagen, aber dieses nicht. Es ist alles so mühsam, so vergeblich. Wenn man wenigstens »Dieter« hieße, könnte das Kind einen schon mit Namen rufen. Der Vater schaut auf und schickt einen traurigen Blick in den Raum. Unter der Tischkante guckt einkleines Kind hervor, strahlt und sagt: »Ajjo!« Greift sich ans Ohr und sagt: »Dieter. Oa.«
    Da wälzt sich der Vater lachend unter dem Tisch.
Entwicklungshilfe
    M ax ist ein kleiner Junge, er hat viele Fragen, und das ist gut so.
    »Papa, warum ist heute Sonntag?«
    »Papa, können Neger auch ’ne rote Nase bekommen?«
    »Papa, was heißt auf Englisch: Skateboard?«
    »Skateboard ist englisch, Max.«
    »Ach so.«
    Aber zu zwei Themen hat Max keine Fragen mehr. Da weiß er schon alles. Das eine ist »Amerika«, das andere sind die »Ritters«.
    »Papa, die Ritters waren die ersten Menschen auf der Welt.«
    »Nein, Max, pass auf, ich will dir das erklären…«
    »Und Papa, die Ritters wohnten in Amerika.«
    »Nein, Max.«
    »Doch, die wohnten in Amerika.«
    »Nein, Max, pass mal auf, es war anders…«
    »Doch! Es gab gute und böse Ritters, und die guten wohnten in Amerika.«
    »Und die bösen?«
    »Die wohnten auch in Amerika. Aber in Südamerika.«
    »Ach so.«
    »Ja, und in Amerika gibt es auch ganz arme Menschen. Die sind so arm, die haben fei nichts zu essen.«
    »Arme Ritters«, dachte ich und hätte beinahe gelacht,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher