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Der kleine Erziehungsberater

Titel: Der kleine Erziehungsberater
Autoren: Axel Hacke
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dabei wollte ich doch ernst sein und sagen: »Ja, Max, das stimmt,und deswegen wollen wir auch nicht dauernd Süßigkeiten kaufen.«
    »Ja, aber der Willi, du weißt schon, der Bruder von der Anna, der verreist da mal hin. Und dann gibt er denen was ab.«

Allerhand Gewürm
    M ax lispelt ein bisschen … ach, Quatsch, er stößt eben etwas mit der Zunge an, das ist nicht schlimm, das wird sich legen. Wenn er sagt: »Papa, bekomm’ ich was Süßes?«, dann klingt »was Süßes« etwa so, als ob er es mit englischem Tiejtsch aussprechen würde, also »wath Thütheth«.
    »Papa, bekomm’ ich wath Thütheth?«
    »Max, ich hab’ nichts Süßes.«
    »Doch, da oben im Schrank ist etwas, ich weiß es.« Weith eth.
    »Das mag sein, aber Kinder dürfen nicht so viel Süßigkeiten essen, das ist schlecht für ihre Zähne, und deshalb geb’ ich dir nichts.«
    »Manno! Nie bekomm’ ich wath Thütheth.«
    Aaaargh! Eines Tages werde ich einen dieser Drogendealer erwischen, die sich Süßwarenfabrikanten nennen und nichts anderes tun, als Kinder von Bonbons abhängig zu machen. Ich werde ihm einen Schokoriegel quer in den Mund schieben, ich werde ihn Überraschungseier fressen lassen und ihn in Honig wälzen und in einer heißen Pfanne langsam karamellisieren lassen, jaaaa, das werde ich.
    Es wird eine süße, süße Rache. Die Süßwarenmanager nennen das Zeug, das sie vor den Kassen der Supermärkte auftürmen, »Quengelware«. Eltern warten aufs Bezahlen, Kinder quengeln, Eltern sagen »nein«, Kinder quengeln weiter (schönes passendes Wort übrigens: quengeln), Eltern schwitzen, resignieren, bekommen Schuldgefühle, werden von ihrenKindern gehasst, entfremden sich ihnen – es wird also ein Geschäft gemacht auf Kosten unserer Nerven.
    Und dafür hassen wir die Süßwarenmanager!
    Ich kann es nicht mehr hören, immer und überall: »Bekomm’ ich wath Thütheth?« Neulich waren wir im »Museum für Mensch und Natur«, betrachteten dort Sielmann-Filme über das Geschlechtsleben der Stichlinge, glotzten Affenskelette an und standen am Schluss vor einem Diorama mit merkwürdigen Urtierchen und Urpflanzen, schabenartigen Krabbelwesen und allerhand Gewürm wie dem »vielborstigen Ringelwurm Burgessochacta« und dem »Priapswurm Louisella«, und plötzlich schreit Max, zappelnd und außer sich vor Aufregung: »Guck mal, Papa, da ist wath Thütheth!«
    Ich denke: Halluziniert der Knabe schon? Ist er im Unterzucker? Soll ich ihm schnell ein Stückchen Milchschokolade…?
    Ach was! Da lag vor uns unter all dem Getier auch die Nachbildung eines braungelben, daumennagelgroßen, fast transparenten Käferleins. Dies war der »urtümliche Gliederfüßer Canadaspis«. Und er sah, ich gebe es zu, wirklich aus wie ein Stückchen Weingummi.
Urlaubsreisen
    E s gibt ja Familien mit drei Kindern, die zu ihren Urlaubsreisen abends aufbrechen. Die Kleinen würden dann, höre ich, die ganze Nacht schlafen, die Straßen seien frei, eine herrlich ruhige Autofahrt, Ankunft bei Sonnenaufgang im Ferienort.
    Ich kann das nicht. Ich muss nachts nämlich selbst schlafen und kann dabei nicht Auto fahren. Überhaupt: morgens ankommen! Todmüde! Vollkommen fertig! Wie gerädert! Das geht doch nicht. Also stehen wir morgens auf und frühstücken und fahren los. Kurz vor der Autobahn, noch in München also, fragt Max zum ersten Mal: »Wann sind wir endlich da?«
    Meistens fahren wir nach Sardinien, man braucht ungefähr 24 Stunden.
    »Ach, Max, ein bisschen dauert es noch.«
    Bei Holzkirchen möchte Anne wissen: »Wann sind wir endlich da?«
    »Ehrlich gesagt, Kinder: Wir kommen erst morgen früh an. Mit dem Schiff müssen wir auch noch fahren. Es dauert ganz lange.«
    »Wann sind wir endlich da?«, fragt Max bei Kufstein.
    »Wann sind wir endlich da?«, fragt Anne bei Innsbruck.
    Antje ist immer ruhig. Sie hat eine Tüte mit Spielen und Überraschungen, auch Süßigkeiten für den Katastrophenfall. Sie singt Lieder mit den Kindern. Wir hören die Kassette mit dem Märchen vom Wolf und den sieben Geißlein. Am Brenner kenne ich dieses Märchen auswendig. »Wann sind wir endlich da?«, denke ich. Max fragt: »Wann sind wir endlich da?« Anne
    fragt: »Wann sind wir endlich da?« Marie kann noch nicht sprechen. Was sie wohl sagen würde?
    Am Gardasee die zweite Schlägerei auf der Rückbank. Alle Spiele sind gespielt. Antje sagt das Märchen von der Geiß und den sieben Wölfchen rückwärts auf. Max öffnet das Seitenfenster und versucht
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