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Der kleine Erziehungsberater

Titel: Der kleine Erziehungsberater
Autoren: Axel Hacke
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Kindergarten ein Bild malen: »Mein Vater bei der Arbeit.« Max hat einen Mann am Schreibtisch gemalt, und die Frage der Kindergärtnerin nach dem Titel des Bildes hat er so beantwortet: »Mein Vater sitzt auf einem Drehstuhl und faltet Zeitungen.« Ach, ich wär’ so gern ein Vorbildvater, Sportsvater! Der Junge zieht ja eine neue Hose nur noch an, wenn man ihm hundertprozentig versichert, das sei eine »Sporthose«, und im Fernsehen will er immerzu »Doris Becker« sehen. Aber Fernsehen gibt’s bei uns nicht für Kinder.
    »Max, der heißt Boris Becker.« (Bisschen mehr als die Kleinen weiß unsereiner ja schon noch.)
    »Ach so. Darf ich den jetzt im Fernsehen sehen?«
    Ich selbst spiele ja bloß Hockey. Nicht Eishockey: Feld- und Hallenhockey. Eine brotlose Sportart. Ich weiß nicht, ob der Junge das lernen soll. Wenn man ihm Tennis beibringen würde, müsste ich vielleicht nicht mein ganzes Leben arbeiten. Um ihm zu zeigen, was für ein toller Kerl ich bin, nehme ich ihn manchmal zu Punktspielen mit. Letzten Sonntag hat er auf dem Weg zum Sportplatz gesagt: »Papa, versprichst du mir, dass du ein Tor schießt, wenn du am Tor vorbeikommst?«
    »Klar, Max, mach’ ich.«
    Wir haben dann Unentschieden gespielt, 2:2. Ich bin auch am Tor vorbeigekommen, um ganz ehrlich zu sein: ich, der Mittelstürmer, hatte zwei dicke Chancen auf dem Schläger. Ich hab’ sie vertan. Einmal stand ich sogar allein vor dem Tor – vorbeigehauen. Ein rabenschwarzer Tag. Unser Kapitän hat zu mir gesagt: »Und was willst du jetzt deinem Sohn erzählen? Uns kannst du’s ja schon lang nicht mehr erklären.«
    »Papa, hast du auch ein Tor geschossen?«
    »Nein, Max, also, ich … Weißt du – ich musste einfach keins schießen, wir haben auch so einen Punkt gewonnen. Komm! Ich kauf ’ dir ein Eis.«
    Am Montag bin ich dann wieder Zeitungen falten gegangen.

Bittere Semmeln
    S oll ich erzählen, warum ich nie wieder frische Semmeln zum Frühstück hole?
    Eines Tages wollte ich morgens frische Semmeln holen und rief fröhlich durchs Haus: »Ich geh’ jetzt Semmeln holen! Wer kommt mihit?«
    Stille. »Max, willst du nicht mit?«, fragte ich, aber er lehnte ab, und ich freute mich auf ein paar ruhige Minuten in der Morgenluft.
    »Ach, ich geh’ mit, Papa«, sagte Anne, als ich schon fast draußen war. »Darf ich meine Lackschuhe anziehen?«
    »Nein, Anne, das geht nicht. Es hat die ganze Nacht geregnet, und ein bisschen regnet es immer noch. Zieh bitte Gummistiefel an.«
    »Ich mag aber keine Gummistiefel.«
    »Dann musst du eben hier bleiben.«
    »Ich will aber mit.«
    »Ja, aber mit Lackschuhen geht das nicht, Anne. Sie gehen kaputt im Regen.« Sie heulte laut und zornig. Max stand in der Tür: »Ich geh’ doch mit, Papa.«
    »Ja, ist gut, Max, dann zieh du auch Gummistiefel an.«
    »Ja, aber wo sind die?«
    Ich rief durchs Haus: »Wo sind denn Max’ Gummistiefel?« Antje antwortete: »Im Keller.«
    »Max, gehst du bitte runter und holst sie?« Max ging in den Keller. Antje sagte: »Kannst du nicht Marie auch mitnehmen?« Klar könne ich das, sagte ich und setzte mich auf die Treppe,um ihr Gummistiefel anzuziehen. Aus dem Keller rief Max: »Hier sind meine Gummistiefel nicht!«
    »Moment, ich werde mal in deinem Zimmer nachschauen«, rief ich und stellte Marie für einen Augenblick wieder ab. Sie begann zu weinen, weil sie dachte, ich wolle ohne sie frische Semmeln holen gehen. Anne heulte immer noch. Oben waren die Gummistiefel auch nicht. »Anne, kann Max nicht schnell deine Gummistiefel anziehen? Du willst sie ja eh nicht, bleibste eben so lange hier.«
    Hastig zog sich Anne ihre Gummistiefel an, öffnete die Tür und ging raus. Max schrie: »Gebt mir jetzt endlich meine Gummistiefel!« Ich beruhigte Marie und zog ihr einen Stiefel an. Anne sagte: »Max’ Stiefel stehen hier draußen vor der Tür.« Ich sagte: »Mensch, Junge, wie oft hab’ ich dir schon gesagt, du sollst die Stiefel nicht draußen stehen lassen. Jetzt sind sie innen nass.« Max versuchte, sich die Stiefel anzuziehen. Ich sagte: »Max, das geht nicht, lass sie stehen.« Er machte weiter. Ich stellte Marie kurz ab und nahm Max seine Stiefel weg, in denen vom Wolkenbruch in der Nacht fingerhoch das Wasser stand. Sein rechter Strumpf war bereits klatschnass. Marie brüllte, weil sie schon wieder dachte, ich wolle ohne sie aufbrechen. Max schrie, weil er seine Stiefel wollte. Anne fragte: »Wann gehen wir endlich los?«
    Ich zog Marie ihren zweiten Stiefel an.
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