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Kopernikus 8

Kopernikus 8

Titel: Kopernikus 8
Autoren: H. J. Alpers
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Rachel Cosgrove Payes
Tauche mit mir im Genetischen Reservoir COME TAKE A DIP WITH ME IN THE GENETIC POOL
     
    Sie sagen, ich kann es nicht haben. Morgen werden sie es mir wegnehmen, und ich kann überhaupt nichts dagegen tun. Ich habe sie angefleht, ich habe darum gebettelt, es behalten zu dürfen. Ich habe ihnen alles versprochen – alles. Doch es war alles vergeblich.
    Warum war ausgerechnet dieses so bedeutend, fragte ich sie. Nächstes Mal …
    Doch sie antworteten mir, nächstes Mal müßte bald sein. Die Liste war vorbereitet, alle Vorkehrungen waren getroffen. Für dieses Mal blieb keine Zeit. Ich habe das bedeutendste aller Gesetze übertreten, und dafür müssen sie mich bestrafen, sonst wird die Moral der anderen darunter leiden.
    Ihre Moral ist mir gleichgültig. Ich hasse ihre Gesetze. Ich habe nicht darum gebeten, herkommen und nach ihren Gesetzen leben zu dürfen. Ich gehöre der Schiffsgeneration an und sollte nicht durch vor so langer Zeit und so weit entfernt erstellte Prä-Schiffs-Gesetze gebunden werden.
    Ich hasse sie alle, alle Mitglieder des Genetischen Konzils. Doch am allermeisten hasse ich Gerard, den Bewahrer des Reservoirs. Sie sitzen da und strecken ihre langen, dünnen Nasen in meine Richtung, um mich ernst, feierlich und stumm zu betrachten und um zu versuchen, mich durch ihre bloße Anwesenheit zu brechen. Ich hasse sie. Ich habe sie auch schon vor dieser schrecklichen Zeit gehaßt. Wer gibt ihnen das Recht zu bestimmen? Sie sind alt, alt, sie stammen aus einem anderen Leben, einer anderen Zeit, einer anderen Welt. Ihre Lebenssäfte sind eingedickt, vertrocknet und verschwunden. Sie haben vergessen, so wie ich zu empfinden – wenn sie das je konnten.
    Sie behaupten, die Gesetze dienen dem Allgemeinwohl. Ich bin ein Teil der Allgemeinheit, wie kann also etwas nicht für mein Wohl sein? Und dies ist gut. Ganz gleich, was sie behaupten. Ich weise alle ihre Lehren zurück. Das Leben sollte so und nicht anders sein, und sie können meine Natur und mein Erbe nicht verleugnen.
    Ich habe die alten Bänder gehört, die in der Gruft verwahrt werden, aber davon wissen sie nichts. Wir alle haben sie gehört. Es war Johnny – oder war es Marc? –, der als erster einen Weg fand, die Stimmsperre außer Kraft zu setzen. Wie großartig wir alle uns an jenem Tag fühlten, was für ein herrliches Gefühl es war, klüger als die Prä-Schiffs zu sein. Wir fühlten uns wie die wahre Elite, die geborenen Herrscher, die natürlichen Erben all unserer Besitztümer.
    Die Bänder. Wie oft haben wir sie abgespielt. Die Geschichten von der Heimatwelt, die alten Erzählungen von Mut, Abenteuer und Liebe.
    Liebe. Das war ein Wort, dessen Bedeutung wir nicht kannten. Wir mußten Nachforschungen anstellen, doch die Bedeutung blieb uns auch weiterhin verborgen. Wie soll man Liebe von einem Band erlernen? Die Prä-Schiffs – wußten sie, was Liebe ist? Wir wußten es nicht, und wir wagten nicht zu fragen. Denn dann hätten sie gewußt, daß wir in die Gruft eingedrungen waren, und sie hätten uns vor das Konzil gerufen. Und bestraft.
    Doch keine Strafe kann so unerträglich sein wie meine. Keine. Wie auch? Damals wußten wir nichts von der Liebe. Und nun … und nun? Wie soll ich es nur ertragen?
    Ich werde niemals die erste Erkenntnis vergessen. Und Rom – wird auch er sich daran erinnern, so wie ich? Er verband sein Schicksal mit meinem, er schwor mir – Jill, ich werde dich immer lieben. Sie können uns nicht trennen.
    Doch das kam erst später. Zunächst einmal hörten wir uns all die Bänder an. Es war eine sehr traurige Geschichte von einem alten Geschichtenerzähler mit einem kriegerischen Namen. Die Geschichte eines Jungen und eines Mädchens und ihrer tragischen Liebe. Damals begannen wir zu lernen. Wir begriffen, daß Liebe etwas war, das auf der Koloniewelt unbekannt war. Sex kannten wir. Sex spielt hier eine große Rolle. Wir müssen uns vermehren, sonst verschwinden wir. Wir müssen uns sorgfältig vermehren, nach einem vorherbestimmten Plan, um das Genetische Reservoir zu erweitern. Das kennen wir von Anfang an – es ist fester Bestandteil unseres Lebens. Wir wußten nicht, daß es auch noch einen anderen Weg gibt, einen subtileren, schöneren, schrecklicheren – ja, schrecklicher – als den angestammten, diese einförmige Straße, die uns zum Ziel führen soll.
    Nachdem wir das Band angehört hatten, betrachtete ich Rom, und er betrachtete mich. Da sahen wir einander zum ersten Mal wirklich.
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