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Kopernikus 8

Kopernikus 8

Titel: Kopernikus 8
Autoren: H. J. Alpers
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Oh, ich hatte Rom schon zahllose Male zuvor angesehen. Ich kenne ihn schon ewig – wir gehören beide der Schiffsgeneration an. Ich wußte, daß sein Haar schwarz und glatt war, daß er größer als Johnny, aber kleiner als Marc war. Seine dunklen Augen hatten mich schon oft angesehen, auch die Prä-Schiffs, unsere Welt, alles – aber noch niemals zuvor hatten mich die leicht schräg stehenden Augen auf so besondere Weise angesehen. Plötzlich wollte ich den Umrissen seines vorstehenden Wangenknochens mit den Fingern folgen. Ich wollte etwas zu ihm sagen, irgend etwas, aber ich war zu schüchtern. Schüchtern. Gegenüber Rom, meinem Gruppenpartner und ständigen Gefährten. Dann berührte er meine Hand, und das war außergewöhnlich. Ich kann es nicht erklären. Wer um das Geheimnis der Liebe weiß, wird es verstehen. Doch wie sollte ich es je einem Angehörigen der Prä-Schiffs-Generation erklären? Worte reichen nicht aus. Es ist ein Gefühl, ein Gefühl tief im Innern, ein Gefühl wie Feuer – manchmal wunderbare Wärme, manchmal verzehrende Glut. Doch nun bleiben mir nur graue Asche und Kälte.
    Mein Mund ist bitter vor Asche. Mein Herz ist ausgebrannt. Wie soll ich weiterleben, wenn alles aus ist?
    Rom, Rom, Geliebter, mein einziger Geliebter. Wo bist du jetzt? Welche Strafe haben sie dir auferlegt? Sie kann der meinen keinesfalls gleichen. Wirst du ihnen gehorchen? Kannst du das überhaupt, wenn du mich liebst?
    Eine Woche, zwei Wochen, zwei Monate – die Zeit verging und schritt voran, doch mich kümmerte nicht, welchen Tag wir schrieben, ich wußte es nicht. Ich ging auf in unserer Liebe. Ich sah nur Rom. All das lag außerhalb jeglichen Verständnisses, wie eine sich sanft entfaltende Blüte, die die Wärme unserer Liebe zum Wachstum anregte. Sie wandte sich uns zu, dem Licht unserer Liebe, und umfing uns mit ihrer Schönheit. Zärtlichkeit wurde zu Hingabe, und die Hingabe wurde … die Hingabe führte zum verzweifeltsten Tag meines Lebens. Rom, Rom, wo bist du? Könntest du mich doch nur in den Armen halten, vielleicht könnte ich dann alles leichter ertragen.
    Unsere Liebe trug Früchte – und plötzlich hatte ich Angst. Zum ersten Mal erkannte ich, was das bedeuten mußte. Wir waren so jung, und wir waren noch nicht berufen worden. Was, wenn … aber das konnte nicht sein. Ich war verliebt, und ich wußte, alles würde sich so wenden, wie ich es mir wünschte. Ich erinnere mich an einen Ausspruch von den Bändern: Liebe macht blind. Als ich das zum ersten Mal hörte, da lachte ich. Liebe. Wie konnte dieses wunderbare, überwältigende Gefühl, diese allumfassende Emotion, denn blind machen? Liebe bedeutete Erkenntnis. Noch niemals zuvor waren mir die Pflanzen mit ihren malvenfarbenen Blättern so herrlich erschienen, wenn ich an ihnen vorüberging und ihre Wedel an meinen Hüften entlangstrichen. Der sanfte Duft ihrer Früchte, die ich mit meinem Körpergewicht zerdrückte, erinnerte mich an den Duft der Früchte, die wir auf unserem Liebeslager mit unseren Körpern zerdrückt hatten. Niemals zuvor hatten die hellen Sterne so wunderbar in der kalten, schwarzen Nacht geleuchtet. Alle vertrauten Konstellationen waren da, um mich zu führen – das Schiff, der Rat der Sieben, das Katzending, das Reptil. Das sollte Blindheit sein? Nein, zum ersten Mal in meinem Leben konnte ich sehen, konnte ich frei und ungehindert und ungetrübt sehen.
    Und dann kam Tina in meine Zelle. Sie war ganz Entzücken, ihre blauen Augen funkelten, während sie mir erzählte, daß die Liste verkündet wurde, die Berufungen bekanntgegeben wurden.
    Ich glaube, schon damals wußte ich es. Selbstverständlich sagte sie mir nichts. Rom und ich hatten mit niemandem über unsere Liebe gesprochen, nicht einmal mit unseren Gruppenpartnern. Es war eine private Angelegenheit, eine herrliche und einzigartige persönliche Erfahrung, die man mit niemandem teilen durfte, sondern die man für sich behalten und verbergen mußte.
    Ich ging widerstrebend, und Tina konnte mich nicht verstehen. Sie war mit Franco gepaart worden, und damit war sie zufrieden – aber nicht verliebt, nicht verliebt. Wir wußten nicht, ob sich andere unserer Gruppenpartner liebten. Es interessierte uns auch nicht. Einzig unsere gegenseitigen Gefühle zählten. Daher schleppte ich mich weiter, von bösen Vorahnungen erfüllt. Doch der Augenblick der Wahrheit ließ sich nicht länger hinauszögern. Ich stand vor der Liste, mein Finger folgte den Namen. Ich wollte es
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