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Der kleine Erziehungsberater

Titel: Der kleine Erziehungsberater
Autoren: Axel Hacke
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Stunden pro Nacht, sie brauchen einfach nicht mehr, stand mal in der Zeitung. So machen sie ihre Eltern fertig. Ich bin blöd, ich muss viel schlafen: Antje ist auch blöd, muss auch viel schlafen. Wahrscheinlich weiß das Kind längst, dass es entsetzlich dumme Eltern hat, und quält sie nun in seiner Wut: Menschen immer wieder aufwecken, sobald sie gerade in Tiefschlaf gefallen sind und den ersten Traum träumen. Irgendwann wird man nie mehr schlafen können, es einfach verlernt haben. Oder, falls man schläft, Alpträume haben von ewiger Schlaflosigkeit.
    Morgens beim Frühstück Streit mit Antje, wer noch müder ist. Ich: Bin um elf und um Mitternacht und um zwei und um drei aufgestanden, schrecklich. Sie: Ja, aber gehört hast du nicht, was um halb elf, halb zwölf, halb zwei, halb vier war. Noch viel schrecklicher! Ich (manchmal lüge ich und sage, ich hätte überhaupt nicht geschlafen, obwohl ich doch geschlafen habe, bloß um nicht so schlecht dazustehen): Aber ich hatte gestern so viel zu arbeiten und war deshalb schon vorher müde. Sie: Du verwirklichst dich den ganzen Tag selbst, während ich mich um Kinder kümmern muss, das macht noch viel müder. Ich: Selbstverwirklichen macht auch sehr müde, das unterschätzt du. Sie, höhnisch lächelnd: Wollen wir tauschen?
    So beginnt der Tag. Mein Schlafdefizit liegt derzeit bei 421 Stunden. Plus drei Prozent Zinsen macht das ein Guthaben von 433,63 Stunden. Das schreibe ich mir auf, denn ich will alles wiederhaben, wenn der kleine süße Fratz im Kinderstühlchen groß ist.
Gute Nacht
    N atürlich ist jeder gute Vater aufgerufen, seinen Kindern, vor denen er tagsüber in die Stille seines Büros geflüchtet ist, abends eine Gutenachtgeschichte vorzulesen. Es ist nur so: Sobald ich das Kinderzimmer betrete und mich bequem auf das Bett meiner Tochter lege, bin ich erheblich müder als alle Kinder der Familie zusammen. Die allerschönsten Gutenachtgeschichten verschwimmen vor meinen Augen, und ich könnte herrlich einschlafen.
    Vor einigen Tagen haben deshalb die Kinder begonnen, umgekehrt mir etwas zu erzählen, was bei Max darauf hinauslief, dass er gewissenhaft seine auf dem Spielplatz gesammelten Sprüche aufzählte. Etwa: »Happy birthday to you, Marmelade im Schuh, Aprikose in der Hose, Happy birthday to you.« Oder: »Kling Glöckchen, klingelingeling, die Oma sitzt am Fenster, der Opa sieht Gespenster, Dracula und Frankenstein hauen ihm die Fresse ein.« Drittens: »O Tannenbaum, o Tannenbaum, die Oma hängt am Gartenzaun.«
    Nach jedem dieser Beiträge ließ der Junge rasselndes Gelächter hören, während ich mich in die Kissen kuschelte und dem Himmel dankte, dass ich wenigstens nicht jene obszönen Sprüche zu hören bekam, die jedem Hamburger Zuhälter Schamröte ins Gesicht treiben würden, indes heute in jedem katholischen Kindergarten kursieren. (Mit Rücksicht auf ältere Leser verzichte ich auf Beispiele.) Meine Bitte, er möge eine schlüssige Geschichte vortragen, beantwortete der Junge mit den Worten, er könne ja vom Skikurs im letzten Urlauberzählen, hob kurz an, erschlaffte wieder und sagte: »Du weißt doch eh schon alles.«
    Es war dann aber so, dass Anne leise sagte, sie wolle jetzt was erzählen, und es folgte eine lange, hochinteressante Geschichte, die in Südtirol und Schottland spielte und in der allerhand Löwen, Räuber und Prinzessinnen vorkamen. Es trat auch eine Hausangestellte auf, die Martha hieß und über die Anne den schönen Satz sagte: »Eine Martha sollte es in jedem Haus geben.«
    Wunderbar, dachte ich, wie ich hier die Kinder zu einer selbstverständlichen Kreativität erziehe. So sollten alle Eltern ihre Kleinen fördern, hin zu einer alltäglichen Phantasie, zum Verarbeiten von Kummer und Freude durch Erzählen, so dass sie sich befreit und ruhig in ihre kleinen Betten legen können. Ich schlief selig ein, während sich die Kinder noch ein wenig mit den Bestandteilen der Puppenstube die Schädel einschlugen.
Nervensache
    K inder haben heißt, gute Nerven zu benötigen. Versuchen Sie, sich psychisch zu härten. Besuchen Sie Dia-Abende, und üben Sie, jenes intensive Interesse zu heucheln, das Sie zeigen müssen, wenn ein Kind Ihnen im Sandkasten einen braunen Matschkloß unter die Nase hält und sagt: »Guck mal, das hab’ ich gebaut.« Fahren Sie in Stoßzeiten mit U- und S-Bahn! Stellen Sie sich in den Fanblock des FC Bayern und schwenken Sie die schwarz-gelbe Fahne der Dortmunder Borussen!
    Wenn Sie schlechte
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