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Der Killer im Lorbeer

Der Killer im Lorbeer

Titel: Der Killer im Lorbeer
Autoren: Arthur Escroyne
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bezahlen konnte. Gwendolyn brauchte Geld. Mrs Lancaster, die Leiterin der Toddler, ist eine Freundin meiner Frau. Sie hat schon öfter ausgeholfen, wenn eine Studentin sich nebenbei was verdienen wollte.«
    »Lassen Sie uns über gestern reden. Haben Sie Miss Perry gesehen?«
    »Erst abends. Da findet unser Gruppenseminar statt. Der Jahrgang tauscht sich über Praxiserfahrungen aus. Das Seminar geht von halb sieben bis acht Uhr.«
    »Wie viele Studenten waren zugegen?«
    »Das Treffen ist Pflicht. Soweit ich weiß, waren alle da.« Er schlägt ein ledergebundenes Buch auf. »Bis auf Ogilvy.«
    »Ist das Ihr Klassenbuch?«
    Unaufgefordert dreht er es in Rosys Richtung. Sie betrachtet seine dezidierte Schrift.
    »Was hat Miss Perry nach dem Ende des Kurses gemacht?«
    »Das weiß ich nicht.«
    »Ihr Vermieter sagt, dienstags ginge sie meistens aus.«
    »Gut möglich.«
    »Sind Sie bei solchen Treffen nie dabei?«, fragt Ralph.
    »Nein. Wieso?«
    »Ein wenig Geselligkeit mit Ihren Schutzbefohlenen. Oder ein Student möchte einen persönlichen Rat.«
    »Dafür gibt es die Einzelsprechstunden.« Gaunt nimmt hinter dem Schreibtisch Platz. »Ich bin verheiratet. Wenn ich mich auch noch außerhalb der Dienstzeit um meine Schäfchen kümmern würde, bekäme meine Frau mich gar nicht zu Gesicht. Studenten sind Parasiten, Detective, liebenswürdig, aber gierig.«
    »Hatte Gwendolyn eine feste Beziehung?«
    Die Frage scheint ihn nicht zu überraschen. »Miss Perry war ziemlich beliebt, soweit ich das beurteilen kann.«
    »Hatte sie Verehrer?«
    »Zweifellos. Ich vermute allerdings, dass Gwendolyn keine Zeit für eine feste Bindung gehabt hätte. Vormittags arbeitete sie in der Kinderkrippe, den Rest des Tages an der Uni.«
    »Ich würde ihre Kommilitonen gern befragen.«
    »Selbstverständlich. Ich bestelle den Jahrgang ein. Heute sind sie allerdings beim Probeunterrichten, über die ganze Grafschaft verteilt.«
    »Wie wäre es dann morgen?« Rosy schaltet das Handy ab. »Wann ist die Lunchpause?«
    Gaunt ist von der Programmänderung nicht begeistert. »Ich versuche es einzurichten – um zwölf?«
    »Danke.« Rosy steht auf. »Wie lange sind Sie verheiratet, Mr Gaunt?«
    »Dreizehn Jahre.«
    »Haben Sie Kinder?«
    »Leider nein. Meine Frau …« Er bricht ab und bringt die beiden zur Tür.
    »Waren Sie Dienstagnacht daheim?«
    »Allerdings. Sie finden den Weg hinaus?«
    Er öffnet den hohen Eichenflügel. Die Polizisten verlassen das Gebäude über weiße und schwarze Quadern.

R osy trinkt Darjeeling, zu stark für meinen Geschmack. Ich halte mich an meine Hausmischung aus Brombeerblättern und Ingwerwurzel. Rosy im geblümten Morgenmantel, sie trinkt, stellt die Tasse ab, sie schaut an mir vorbei. Spät kam sie heim, aß meinen Reisauflauf mit Karotten ohne besonderen Appetit. Sie nahm sich die Akte Perry vor, bis jetzt ein dünner Ordner. Der Anfang eines Falles, Rosys härteste Zeit. Das Gespinst ist noch hauchdünn, durchlässig, schwer zu greifen. Mit jedem Faden, den sie einzieht, wird Rosy sicherer. Nach und nach findet sie sich in den Kreis der Personen ein, die mit dem Mord zu tun haben. Rosy lernt das Opfer kennen, als wäre es ein guter Freund. Sie erforscht die Trauernden, die Gleichgültigen, die Verdächtigen. Sie lebt mit ihnen, wächst mit ihnen zusammen, wie in einer Familie. Und eines Tages, ich habe es oft erlebt, werden ihr die Verhältnisse klar. Die Familie demaskiert sich, Habgier, Leidenschaft, Rache treten zutage. Plötzlich gibt es nur noch eine Lösung, Rosy benennt sie, beweist sie. Dafür ist sie berüchtigt, auch gefürchtet. In solchen Phasen ist sie angespannt und unruhig. Die Besonnene wird streitlustig, ungerecht. Sie wird zur Zeitbombe. Ich weiß nie, wann sie hochgeht. Sutherly Castle ist riesig, unsere drei Räume sind beengt. Wenn Rosy ihre Stimmung hat, ist die Burg nicht groß genug für zwei. Ich ziehe mich dann meistens in meinen Winkel zurück und gebe vor zu arbeiten. Zugleich lausche ich, was Rosy nebenan tut.
    Letzte Nacht blieb sie friedlich, bis wir ins Bett gingen. Ohne Berührung lagen wir nebeneinander, den Blick zur Decke gerichtet.
    »Der Zeitpunkt ist noch günstig«, sagte sie.
    »Wahrscheinlich«, war meine Antwort in der Dunkelheit.
    »Hast du Lust?«
    »Und du?«
    »Wir könnten es probieren.«
    »Einfach so, hauruck? Ein bisschen romantischer stelle ich mir das schon vor.« Ich machte den entscheidenden Fehler.
    »Romantik willst du, nach einem Vierzehnstundentag?«
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