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Der Killer im Lorbeer

Der Killer im Lorbeer

Titel: Der Killer im Lorbeer
Autoren: Arthur Escroyne
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Körper.« Ich breche ein Stück vom Brötchen ab. »Bei Nacht und Nebel bin ich abgehauen. Zu Fuß. Es dauerte zwei Tage, bis ich daheim war. Ich brauchte meinem Vater nichts zu erklären. Er verlangte nicht, dass ich zurückgehe. Ich glaube, es hat ihn sogar glücklich gemacht, dass ich so an Sutherly hänge. Das hier«, ich zeige auf die Wände, die dringend gestrichen gehören, »ist alles, was eine Schnecke wie ich will. Nimm ihr das Haus weg, und sie geht ein.«
    Rosy sitzt nur da. Meine Geschichte berührt sie, an ihrer Haltung ändert es nichts.
    »Bis jetzt existiert der kleine Prinz doch nur in unserer Vorstellung.« Ich merke, dass mein Messer auf sie zeigt, und drehe es weg.
    »So siehst du das also. So ernst ist es dir mit unserem Kind.«
    »Es ist mir ernst. Aber verlangst du, dass ich Sutherly auf Verdacht verlasse?«
    Rosy steht auf. Ungekämmt sieht ihr Haar aus wie ein Wischmopp. Gleich wird sie es nach hinten frisieren und eine Schirmmütze darüberstülpen. Im Hinauslaufen wirft sie den Bademantel ab.
    »Rosemary! Du musst was essen.«
    Es wird ein übler Tag. So etwas weiß ich. Ich kann es am Himmel ablesen, an der Art, wie die Gänse fliegen, oder daran, ob mir das Frühstücksei gelingt. Nach Rosys Aufbruch spüle ich nicht wie sonst, mache nicht die Betten, arbeite nicht. Ich möchte in den Garten. Unter der Linde setze ich mich auf die geschnitzte Bank. Die Wolken lockern auf, über Sprocklards Fallahnt man schon die Sonne. Dieses Jahr blühen im Inselbeet Adonisröschen und Kriechender Günsel, in den schlangenlinienförmigen Beeten wechseln sich Tausendschön und Gefleckter Aronstab ab.
    Ich sollte mich nicht morgens mit Rosy anlegen, wenn ihr Verstand geschärft, ihr Geist angriffslustig ist. Wenn sie nach einem aufreibenden Tag die 106 Stufen hochkeucht, könnte ich es mit meiner Schwertlilie aufnehmen. Doch dann will ich ihr Behaglichkeit verschaffen.
    Mein Topiari ist nicht groß. Ich habe die Berberitzensträucher stufenförmig angelegt, dahinter beginnt der eigentliche Formgarten aus immergrünem Königslorbeer. Die Spiralform der Hecken überblickt man am besten vom Fenster unseres Schlafzimmers. Ich mag weniger den ornamentalen, eher den architektonischen Gartenschnitt. Das Topiari muss dreimal jährlich geschnitten werden: nach dem Austrieb im Frühling, zum Sommerende und, wenn der Herbst mild war, vor dem Winter. In diesem Jahr kam die Wärme früh, es juckt mich, hier und da die Schere anzusetzen. Ich trete durch das Buchentor.
    Die Lorbeerblätter scheinen vom Jahreszeitenwechsel verfärbt zu sein. Ich ergreife den erstbesten Zweig. An der Oberseite ist nur die Verfärbung festzustellen. Ich drehe ihn um. Manche Blätter sind verkrüppelt, andere bis an die Kapillaren abgefressen.
    Ein Killer sucht meinen Garten heim. Wann ist er eingedrungen, wie konnte ich ihn übersehen? Wie unter Schock drehe ich mich im Kreis, fasse hierhin, dahin, überall die Spur der Vernichtung. Der Täter ist entkommen. Er hat sich heimtückisch davongemacht und eine schleimige Fährte zurückgelassen. Nachdem das Wirtstier sich satt gefressen hatte, überließ es die Blätter seiner Brut. Vorsichtig berühre ich das bläuliche Gespinst auf der Unterseite. Wie Wachs fühlt es sich an, schmiert zwischen den Fingern und klebt. Ich zerdrücke es, da kriecht eine winzige Fliege aus dem Kokon, noch eine, immer mehr von ihnen. Als ich sie zerquetschen will, springen sie davon. Sie haben Flügel, fliegen aber nicht, sie hüpfen. Ich richte mich auf, schaue über die Kugeln und Quader, die ich dem Lorbeer aufgezwungen habe. Die Hoffnung, der Schädling möge sich auf wenige Sträucher beschränken, ist einfältig. An vielen Stellen entdecke ich die Verfärbung, in der Nähe der Wurzel genauso wie an den Kronen. Wo ich hinlange, kriecht die Fliegenpest aus den klebrigen Nestern, ein Drittel des Lorbeergartens ist befallen.
    Mein Vater starb an einer Krebsart, wie sie peinigender nicht sein kann. Bei vollem Bewusstsein erlebte er, wie sich sein Körper von innen auffraß. Er klagte wenig und starb voll Würde. Die Sinnlosigkeit, mit der mein Vater den Befall seines Körpers bekämpfte, steht in diesem Moment vor mir, das Wissen, dass man am Ende nichts ausrichten kann.
    Ich kenne fast alle Schädlinge, weiß, zu welcher Jahreszeit sie auftreten und wie man sie bekämpft. Der Lorbeerkrebs scheidet aus, er bildet orangefarbene Fruchtstände an den Schnittflächen der Blätter. Aus China wurde der
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