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Der Killer im Lorbeer

Der Killer im Lorbeer

Titel: Der Killer im Lorbeer
Autoren: Arthur Escroyne
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schwer zu sagen.«
    »Ich glaube, das ist ziemlich leicht zu sagen. Wer Freunde hat, telefoniert viel. So jemand möchte abends früher gehen oder kommt morgens mal zu spät. War Miss Perry so jemand?«
    »Nein. Sie hatte immer Zeit für mich«, antwortet die Rothaarige.
    »Für Sie? «
    »Für die Kinder, meine ich. Sie kam gut mit ihnen klar.«
    »Kam sie gut klar, oder wurde sie gemocht?«
    »Merkwürdig, dass Sie das fragen.«
    »Wieso?«
    »Sie hatte eine Ausstrahlung –« Die Leiterin legt die Hand an den Hals. »Kennen Sie das, wenn jemand so eine unnahbare Aura hat? Die anderen bemühen sich dann umso mehr um diese Person. Kinder ganz besonders.« Ihre Hand gleitet in den Kragen. »So ein Mensch war Gwendolyn. Man hatte den Eindruck, sie ist ständig bei sich. Man versuchte, ihr nahezukommen. Ob die Kinder sie mochten, weiß ich nicht. Sie haben um sie gebuhlt.«
    »Hatte Miss Perry eine Beziehung?«
    Ralphs Frage scheint Mrs Lancaster aufzuschrecken. Ihre Hand kehrt auf den Schreibtisch zurück.
    »Einen Freund, einen Liebhaber? Sie war immerhin sehr attraktiv.«
    »Ja, sie ist den Männern aufgefallen.« Wieder das spröde Lächeln, wieder bezieht Mrs Lancaster die Kommissarin mit ein. »Da war nichts. Zumindest nicht in den ersten Monaten. Von den Studenten hat keiner sie interessiert, das sagte sie mir sogar.«
    »Und in letzter Zeit?«
    Mrs Lancaster zupft ein weißes Tuch aus der Box. »Gwen hat Andeutungen gemacht.« Sie putzt sich die Nase.
    »Dass es einen Mann gibt?«
    »Sie tat recht geheimnisvoll.«
    »Ist dieser Mann verheiratet?«, fragt Rosy.
    »Wieso?«
    »Weshalb sollte Miss Perry ihre Beziehung sonst geheim halten?«
    »Gwen erzählte einmal, dass der Mann nicht von hier stamme.«
    »Ein Gasthörer an der Uni vielleicht?«
    »Er studiert nicht. Er hat einen Beruf.«
    Rosy tritt an den Schreibtisch, lächelt der anderen offen ins Gesicht. »Sie wissen einiges von diesem Mann, nur seinen Namen nicht?«
    Die Züge von Mrs Lancaster werden weicher. Sie betrachtet die Kommissarin in der Lederjacke. »Was glauben Sie, was wir hier den ganzen Tag tun, Detective? Zum Plaudern bleibt uns nicht viel Zeit. Wenn man auf kleine Kinder aufpasst, sind ruhige Minuten die Ausnahme.«
    »Das kann ich mir vorstellen.« Rosy entdeckt, dass der schwarze Punkt auf Mrs Lancasters Wange kein Leberfleck ist. Sie hat ihn dorthin gemalt.
    »Gwendolyn hat ihn einmal Rank genannt«, sagt die Leiterin so leise, als sei es nur für Rosys Ohren bestimmt.
    » Rank?«
    »Sie sagte nicht, warum.«
    »Ein Spitzname?«
    »Vielleicht.«
    »Hat sie Rank beschrieben?«
    Die Leiterin schüttelt den Kopf.
    »Hatte sie den Diamantring von Rank?« Ralph mischt sich in das intime Geplauder ein.
    Irritiert sieht die Rothaarige ihn an. »Gwendolyn trug keinen Ring.«
    »An ihrer Leiche wurde einer gefunden.«
    »Wir tragen alle keinen Schmuck hier. Die Kinder könnten sich daran verletzen.«
    »Darf ich das mal sehen?« Rosy zeigt auf die Pinnwand hinter Mrs Lancaster.
    »Was? Ach, das Bild.«
    »Das ist Miss Perry, nicht wahr?«
    »Ja, da waren wir …« Die Leiterin nimmt ein Foto ab. Plötzlich werden ihre Augen feucht. »Ich hatte Geburtstag. Gwen schenkte mir ein wunderschönes –« Sie kann nicht weitersprechen, weint, von den Polizisten abgewandt.
    Rosemary betrachtet das stimmungsvolle Bild. Mrs Lancaster, umringt von Mitarbeiterinnen und zwei jungen Männern. Im Zentrum entzündet Miss Perry die Kerzen auf der Torte. Das Ganze findet im Garten statt. Hinter dem Zaun parkt ein Sportwagen.
    »Beruhigen Sie sich bitte.« Rosy hält ihr die Taschentücher hin. »Sprach Gwendolyn manchmal über ihren Tutor, Mr Gaunt?«
    »Edward? Hin und wieder«, antwortet die andere unter Schluchzern.
    »Sie kennen ihn gut?«
    »Seit vielen Jahren. Eigentlich kenne ich seine Frau.«
    Rosy wendet sich zur Tür. »Mochte Gwendolyn Mr Gaunt?«
    »Nicht besonders. Sie fand ihn eitel, mit seinem akkurat gestutzten Bart und den zu engen Anzügen.« Die Leiterin hält das Taschentuch unter die Nase.
    »Vielen Dank, Mrs Lancaster. Auf Wiedersehen.«
    Auf dem Flur kommt der Kommissarin eine Horde Dreijähriger entgegen. Sie reißen die nächste Tür auf und stürmen ins Spielzimmer. Selten ist Rosy von so viel Übermut, von solch unverstellter Lebensfreude umgeben. Ihr Beruf ist ein Beruf für Erwachsene. In ihrem Alltag spielen Kinder dann eine Rolle, wenn sie Streitobjekt sind oder ihnen Gewalt angetan wurde. Auch die Kinderwelt hat ihre
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