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Der Kater läßt das Mausen nicht

Der Kater läßt das Mausen nicht

Titel: Der Kater läßt das Mausen nicht
Autoren: Charlotte MacLeod
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sie das College und
seinen Präsidenten in den Verdacht bringt, zwei Herren zu dienen.
    Den republikanischen Kandidaten
empfehlen sein gewinnendes Lächeln, die sonore Stimme eines Fernsehpredigers,
seine tadellosen Jacketkronen, sein guter Geschmack in Krawatten — und die
Riesensummen, die er für seinen Wahlkampf aufbringen kann. Diese Eigenschaften
haben ihn schon vor Jahren aus dem Nichts ins Staatsparlament getragen, in dem
er sich als Katastrophe für Balaclava County erwiesen hat. Amerikanische
Abgeordnete sind in höherem Maße »Repräsentanten« ihres Wahlkreises im
Wortsinn, und zur Kontrolle ihrer Art der Repräsentation wachen Wählergruppen
über ihr Abstimmungsverhalten im Spiel der wechselnden Mehrheiten in den Parlamenten
aller Ebenen. Das Verhalten des Abgeordneten Claude im Parlament von
Massachusetts war da eindeutig und konsequent: für das große Geld — gegen die
Schwachen, Alten und Kranken, gegen Natur und Umwelt. Ihn jetzt ins nationale
Repräsentantenhaus zu schicken, könnte durchaus eine Katastrophe sein, wie
Svenson meint. Nur der schon vor Jahrzehnten von seinen Wählern aus dem
Bostoner Parlament gejagte Abgeordnete Sill, der sich immer noch als Lobbyist
in der Landeshauptstadt herumtreibt, hatte ein miserableres
Abstimmungsverhalten an den Tag gelegt.
    Die Ermittlungen im Fall Ungley und der
Auftrag des Präsidenten, ihn, das College, das County, den Staat und die Nation
aus Bertram G. Claudes Fängen zu retten, hängen zunächst nicht miteinander
zusammen, außer daß beide Professor Shandys knappe Zeit gleichermaßen
beanspruchen, wäre da nicht der ehemalige Abgeordnete und ewige Lobbyist Sill:
Er gehörte sowohl zu dem handverlesenen Kreis der Balaclava Society, der an
Ungleys letztem Lebensabend seinem Vortrag über die Geschichte des Federmessers
lauschte, als auch zu Claudes Wahlkampfteam. Und auch die übrigen Balaclavianer
— der konservative Anwalt, der Direktor der lokalen Bank, der sich wie ein
örtlicher Grundherr gerierende reiche Erbe, der frühere Generaldirektor der
Seifenfabrik - scheinen in ihren Anschauungen durchaus Verwandte Bertram G.
Claudes zu sein; was sie als »Hochhalten der amerikanischen Werte« bezeichnen,
ähnelt dessen Abstimmungsverhalten. So hat Direktor Lutt von der Seifenfabrik
einst Arbeiter fristlos entlassen, als sie sich weigerten, mit ihren Familien
das von der Fabrik verschmutzte, muntere Blasen treibende Wasser noch länger im
wahrsten Sinne des Wortes zu schlucken.
    Ein zweiter Mord im Umfeld von Claudes
Wahlkampfteam macht den Zusammenhang noch wahrscheinlicher, wenn auch nicht
klarer. So viele Morde auch in Balaclava County passiert sind, seit Charlotte
MacLeod es in der »Raumtasche zwischen ihrer Phantasie und ihrer
Schreibmaschine« ansiedelte, so gibt es — wie stets im klassischen Detektivroman,
dessen Tradition unsere Autorin verpflichtet ist — zwischen den kurz
aufeinanderfolgenden Morden doch offensichtlich eine Verbindung, auch wenn
diese nicht auf Anhieb zu erkennen ist.
    Daher ermittelt Peter Shandy denn in
zwei Mordfällen, die nur locker mit seinem College zu tun zu haben scheinen.
Erleichtert wird dies durch die überaus große Bereitschaft des Polizeichefs
Ottermole, sich unauffällig und flexibel von einem Amateur leiten zu lassen,
den er — wir alle kennen das aus dem Western — kurzerhand zu seinem »Deputy«
macht.
    Wie es sich für einen klassischen
Detektivroman gehört, ist die Zahl der Verdächtigen, die zumindest für einen
der Morde in Frage kommen, groß. Sie reicht von den Balaclavianern, die Ungley
aus Rache für seinen langweiligen Vortrag erschlagen haben könnten, über einen
überraschend aufgetauchten Neffen und Erben — eine im Gesamtwerk von Charlotte
MacLeod höchst verdächtige Rolle — des verblichenen Ungley, einen für die
Ermordung seiner Frau höchst dankbaren Ehemann bis zu Präsident Svenson selbst —
man denke nur an den weiblichen Mörderwal in seiner Ahnenreihe.
    Über dem wachsenden Zeit- und
Realitätsbezug ihrer Romane läßt Charlotte MacLeod den für sie typischen Humor
und Sinn für Komik nicht zu kurz kommen und sorgt dafür, daß der ermordete
Ungley nicht nur den Bewohnern von Balaclava County, sondern auch den Lesern
erheblich mehr Unterhaltung bereitet, als es dem lebenden je mit seinen
Vorlesungen zur Geschichte des County gelungen ist.
     
    Volker Neuhaus

DUMONT’s
Kriminal-Bibliothek
     
    »Knarrende
Geheimtüren, verwirrende Mordserien, schaurige Familienlegenden
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