Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Kannibalenclan

Der Kannibalenclan

Titel: Der Kannibalenclan
Autoren: Jaques Buval
Vom Netzwerk:
an einem einzigen Tag erschossen. Von den übrigen Lagerinsassen überlebten zahllose Menschen die harten Lagerbedingungen nicht. Von hier gab es kein Entrinnen. Wer hierher gebracht oder verbannt wurde, für den gab es keine Zukunft mehr.
    Mit Stalins Tod im Jahre 1953 ging die Blüte des Grauens in Sibirien zu Ende. In modifizierter Form jedoch blieben die Lager in den darauf folgenden Jahrzehnten weiterhin Bestandteil des sowjetischen Strafvollzugs, und zwar nicht nur für Kriminelle, sondern auch für politische Gefangene.
    Heute sind diese Lager mit Kriminellen belegt, die das neue System hervorgebracht hat. Heute benötigt man die kargen Zellen dieser Straflager für den Auswuchs einer, so glauben viele Menschen des Landes, falschen Politik. Nicht mehr nur die gehassten Politikkritiker sind die Insassen dieser Lager, heute sind es die geopferten Handlanger des neuen Systems, so sagt man hinter verschlossener Tür.

    Zerronnene Träume

    Der Kommunismus der nachstalinistischen Ära, von vielen längst wieder herbeigesehnt, gehört der Vergangenheit an.
    Vorbei die kleinen Freuden eines Badehauses, eines Festes an einer Waldlichtung mit Männern und ihrem Akkordeon, die ihre schwermütigen Lieder zum Besten gaben. Ausgelassene Feiern mit den Nachbarn – man sehnt sich nach ihnen, doch diese Zeiten gehören der Vergangenheit an. Heute singen sie nur noch, um zu vergessen, was aus diesem ihrem Land geworden ist. Längst spüren sie schmerzhaft, wie tief die Kluft geworden ist zwischen ihrer Armut und dem unermesslichen Reichtum Einzelner. Alles hatte man schon versucht: Man gründete GmbHs, man pachtete einen Wald von der Regierung, die dann für die erwirtschafteten Gewinne dreißig Prozent Steuern verlangte. Den Restgewinn haben die privatwirtschaftlichen Unternehmer mit neunzig Prozent nochmals zu versteuern. Von den verbleibenden zehn Prozent ist ein Maschinenpark einzurichten, um die Stämme in die nächste Stadt bringen zu können. Alle, die es versuchten, scheiterten allein schon an der Beschaffung des Diesels.
    So sind die Träume zerronnen. Viele Menschen hier haben versucht, ihre Häuser zu verkaufen, um sich mit dem Geld anderswo eine neue Existenz aufzubauen. Doch wer will schon ein Haus in dieser gottverlassenen Gegend.
    »Sie werden es nicht glauben, es gab schon Ausländer, die riesige Waldstücke ankaufen wollten«, weiß ein alter Bauer zu berichten. »Sie wollten hier Fabriken errichten, doch als die Verträge kurz vor dem Abschluss standen, bekamen sie unerwarteten Besuch von Männern, die Provisionen verlangten.
    Seit diesen Tagen wurden hier keine ausländischen Investoren mehr gesehen, und es ist wieder so wie früher.«
    »Wer waren denn diese Herren?«
    »Na, wer wohl? Von der Regierung waren sie bestimmt nicht!«
    »Wer dann?«
    »Na, das wissen Sie doch genau. Es gibt doch keine Geschäfte in unserem Land, bei denen die Mafia nicht ihre Hände im Spiel hat. Mit legalen Mitteln kann doch keiner bei uns auch nur eine Kopeke verdienen. Entweder du bist Angestellter der Organisation, oder du verreckst so arm wie wir hier.«

    Die Geschäfte der russischen Mafia

    Die Macht der örtlichen Mafia nimmt immer weiter zu, und die Armen sind ihr schutzlos ausgeliefert. Skrupellose Geldverleiher, Drogendealer, Zuhälter, vor nichts zurückschreckende Auftragskiller, denen ein Menschenleben keinen Rubel wert ist – das sind die »feinen Herren«, und sie wohnen in den teuersten Hotels der Stadt.
    Jeder zweite Bürger dieser Stadt ist auf irgendeine Art von kriminellen Personen oder Banden abhängig. Sie leben wie einst die Zaren des großen russischen Reiches, in Saus und Braus. Wo der Staat versagt, erblüht das Schlaraffenland der Verbrecher. Umringt von den schönsten Mädchen der Stadt, schlürfen sie teuersten Champagner und ausländische Spirituosen. Und draußen auf den Straßen ergibt sich das Volk dem billigen Fusel, um am eigenen Elend zu erblinden.
    Hat man genug von den hübschen Mädchen, verkauft man sie einfach an die Zuhälter Moskaus. Diese Menschen haben keine Skrupel mehr, längst haben sie jegliches Schuld-bewusstsein verloren. Menschenwürde ist ein Fremdwort geworden. Einmal in den Klauen dieser widerwärtigen Gestalten, ist das Leben vieler der von ihnen abhängigen Menschen nur noch als schleichender Tod zu beschreiben.
    Doch wen wundert diese Abhängigkeit ehrbarer Bürger, wo sie doch seit Monaten keinen Lohn mehr erhalten. Väter wissen keinen anderen Ausweg, als sich in
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher