Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Kannibalenclan

Der Kannibalenclan

Titel: Der Kannibalenclan
Autoren: Jaques Buval
Vom Netzwerk:
einem der zahllosen Kreditbüros Geld zu leihen, um ihren Familien wenigstens das Nötigste geben zu können. Doch auf den nächsten Lohn hofft man allzu oft vergebens. Also überschreiben sie alles, was sie besitzen, manchmal sogar die eigene Frau, die Mutter ihrer Kinder.
    Ja, selbst die eigenen Kinder. Kann jemand die horrenden Zinsen nicht bezahlen, schicken sie ihm ein Schlägerkommando, um ihn abzumahnen. Zahlt er noch immer nicht, liegt er irgendwann tot in einem der zahllosen Hinterhöfe, und keiner stört sich daran. Niemanden hier kümmern mehr die täglichen Zeitungsberichte über solche Gräueltaten.
    Eine der schlimmsten Mafia-Banden, die in diesem Land je ihr Unwesen trieb, steht bald vor dem Gericht in Nowokusnezk. Die örtliche Zeitung hat in großer Aufmachung darüber berichtet. Dreiundfünfzig Menschen soll diese Bande getötet haben. Die Zeitung berichtete, dass der Gangsterboss Landesmeister der UdSSR im Freistilringen war und seine Truppe aus siebenundzwanzig Mitgliedern bestand, die alle bestens ausgebildet waren in den verschiedensten Kampfsportarten. Nicht in einer der Großstädte, sondern in Nowokusnezk, einer kleinen Stadt im tiefsten Sibirien, wurden diese Verbrecher aufgespürt und inhaftiert. Sie sitzen in derselben Haftanstalt, in der auch Sascha Spesiwtsew einsitzt.
    Wenn man mit den Mitgliedern dieser Bande spricht, geben sie bereitwillig Auskunft über ihre Taten. Sie sind stolz auf das, was sie »geleistet« haben, und sie schwelgen in Details, die den Zuhörer an die Grenzen der Übelkeit bringen. Schaudernd erfährt man von einem dieser Diener des Teufels: »Wenn jemand nicht wenigstens seine Zinsen bezahlen konnte, verpassten wir ihm einen Denkzettel. Jewgenij R. zum Beispiel, einen Geschäftsmann dieser Stadt, übergossen wir mit Salzsäure. Das weckt die Zahlungsbereitschaft. Anderen hackten wir die Hände ab, um sie einzuschüchtern. Hatte ein Zahlungsunwilliger eine hübsche Tochter, verkauften wir sie an ein Moskauer Bordell. Die Eltern muckten nicht auf, denn ihnen war klar, dass dies erst der Anfang war.«
    Auf die Frage, wie er zu dieser Bande kam, gibt er zu verstehen: »Was machst du, wenn du kein Geld zum Leben hast? Man versprach uns einen eigenen Mercedes und eine eigene Wohnung, wenn wir unsere Arbeit gut machen würden.
    Natürlich ist es vielen von uns am Anfang nicht leicht gefallen, diese Arbeit zu verrichten. Aber wir dachten an den Lohn, und der ließ uns alle Skrupel vergessen. Was willst du dagegen tun?
    Im Krieg wird auch getötet. Da werden Menschen umgebracht, die man nicht kennt und von denen man auch nicht weiß, ob sie gut oder böse waren. Wir haben nicht für Politiker getötet, sondern damit es uns besser geht. Wir wollten auch so ein gutes, sorgenfreies Leben führen wie unsere Bosse.«
    »Welche Voraussetzungen musste man mitbringen, um solch einen Job zu bekommen?«
    »Aufgenommen wurden nur Leute, die keinen Alkohol tranken und keine Drogen nahmen. Aufnahmeprüfung war ein Auftragsmord. Erledigte man ihn zur Zufriedenheit der Bosse, konnte man sicher sein, als neues Mitglied aufgenommen zu werden.«
    »Kam Ihnen nicht doch manchmal der Wunsch, damit aufzuhören?«
    »Nein, nein. Wir alle wussten, dass wir, wenn wir die Bande verlassen würden, sofort umgebracht werden. So arbeiteten wir immer weiter, mit dem Ziel vor Augen, dass es uns irgendwann einmal gut gehen würde. Manchmal töteten wir wie die Roboter.«
    »Taten Ihnen die Mädchen nicht Leid, die Sie nach Moskau in die Bordelle brachten?«
    »Ach was, wenn sie einmal verheiratet gewesen wären, hätten sie ja auch fast jeden Tag ran müssen. Was macht das für einen Unterschied? So hatten sie wenigstens schöne Kleider und gut zu essen, und sie wohnten in einem schönen Haus. Ich würde gerne alles erzählen, was wir getan haben, damit man auch in anderen Ländern endlich erfährt, wie es hier zugeht.
    Doch dann wäre Ihr Leben in Gefahr. Unsere Chefs reisen viel und gerne, und sie sind nie alleine unterwegs.«
    »Wer begleitet sie denn auf ihren Reisen?«
    »Na, solche Leute wie ich. Das ist ein schöner Job, man sieht ferne Länder und hat dabei nur eine Aufgabe: die Männer zu beschützen, die sowieso niemand kennt. Sie kaufen sich alle Sympathien mit Geld, und die meisten Menschen glauben, es mit Geschäftsleuten zu tun zu haben. Wissen Sie, ich war auch schon in Spanien, aber nicht im Urlaub. Da habe ich unseren Oberboss begleitet. Soll ich Ihnen erzählen, was ich da alles erlebt
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher