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Der Kannibalenclan

Der Kannibalenclan

Titel: Der Kannibalenclan
Autoren: Jaques Buval
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erklären. Aber wer kann schon erklären, was man kaum verstehen kann?

    Jaques Buval liefert keine fertigen Erklärungen, er liefert Fakten. Fakten, die so grausam sind, dass man sich überwinden muss, das Buch zu Ende zu lesen, dass man die gequälten Kinder schreien und weinen hört und sie in ihrer Angst zusammengekauert in der Ecke sitzen sieht, mit dem Teufel konfrontiert und ohne jede Chance auf Flucht oder Erlösung.
    Aber genau dies war auch die Welt des Täters als Kind. Er musste lernen, dass es keine Liebe, keine Freude gibt, und kann sie deshalb nicht weitergeben.

    Damit wir uns nicht missverstehen: Niemand kann die Taten eines solchen Mörders entschuldigen oder verharmlosen; er handelte im vollen Bewusstsein über Recht und Unrecht und muss deshalb seiner gerechten Strafe zugeführt werden. Aber nochmals: Damit wird das Problem nicht gelöst, das in der Unmenschlichkeit der Umwelt besteht.

    Sascha Spesiwtsew ist nur einer in der langen Reihe der Serienmörder, die dieses Schicksal fast zwangsläufig ereilt: Jürgen Bartsch (vier Morde), Edmund Kemper (sieben Morde), Leszek Pekalski (ein bis ?? Morde), Dennis Nielson (fünfzehn Morde) oder Jeffrey Dahmer (siebzehn Morde). Allen gemeinsam ist das Motiv, aus einer nie erfahrenen Suche nach Geborgenheit zu handeln – mit dem Bestreben, jemanden ganz für sich alleine zu haben, die eigenen Wünsche befriedigen zu können und sich so unbedroht geliebt zu fühlen. Dass dies in eine derart »mörderische Suche nach Liebe« ausartet, liegt an der missglückten Persönlichkeitsentwicklung der Täter.

    Der Kannibalismus, der von der Familie Spesiwtsew praktiziert wurde, muss vor dem besonderen kulturellen Hintergrund gesehen und beurteilt werden. Käme ein solcher Fall in Westeuropa vor, lägen die Dinge ganz anders. In Osteuropa sind Fälle von Kannibalismus so häufig, dass sie dort kein großes Aufsehen erregen. Dadurch ist dieses Gespenst auch viel fester in den Köpfen der Menschen verankert, als dies in West- und Mitteleuropa der Fall ist.

    Andrej Tschikatilo, einer der »berühmtesten« Serienmörder Russlands, berichtete: »Ich hungerte bis zum zwölften Lebensjahr, als ich mich das erste Mal an Brot satt aß. Mein Vater und meine Mutter wären 1933/34 fast verhungert. 1933
    verloren sie ihren ältesten Sohn, meinen Bruder Stepan Romanowitsch, den vor Hunger verzweifelte Menschen aufgegriffen und gegessen hatten.« Der Wahrheitsgehalt dieser Geschichte ist durchaus umstritten, ja es ist nicht einmal erwiesen, dass Tschikatilo überhaupt einen Bruder hatte, aber das Kannibalismusthema taucht auch in den Geständnissen anderer Serienmörder immer wieder beiläufig auf.

    Geneigter Leser, Jaques Buval zeigt ihnen eine Tür zur Hölle Mensch. Versuchen Sie also, einen Blick hinter die Abgründe der menschlichen Seele zu werfen, begeben Sie sich auf die Reise ins Dunkel, und hoffen Sie, zu den Glücklichen zu gehören, die von dort wieder zurückkehren.

    Im Januar 2001
    Dr. Christoph Paulus
    UNIVERSITÄT DES SAARLANDES
    Erziehungswissenschaftler

    Die Heimat des »Sibirischen Tigers«

    Sascha Aleksander Spesiwtsew, von der Bevölkerung mit dem Beinamen »Sibirischer Tiger« bedacht, verbringt sein armseliges Dasein seit seiner Verhaftung in der Strafanstalt seiner Heimatstadt Nowokusnezk. Nowokusnezk, eine russische Stahlstadt mit 600.000 Einwohnern, liegt im tiefen Sibirien. Es ist ein Ort wie viele, die vom neuen russischen Kapitalismus nicht profitiert haben.
    Die Menschen, die hier leben, sind den Machthabern einer neuen gesellschaftlichen Hierarchie, einem nicht funktionierenden Rechtssystem mit bestechlichen Beamten ausgeliefert. Seit Jahren wird ihr Elend zunehmend größer.
    Viele haben seit Monaten keinen Lohn mehr erhalten.
    Die Zeit, als die riesigen Stahlwerke und Fabriken noch genug Arbeit boten, ist nur noch Erinnerung. Einst gab es eine einigermaßen funktionierende Wirtschaft und rege Märkte.
    Stattdessen nimmt nun die Zahl der Kreditbüros zu, die wie die Pilze aus dem Boden schießen.
    Auch für die hier lebenden Beamten und Funktionäre hat sich vieles geändert. Nur noch matt glitzern die Sterne an ihren schäbigen Uniformen. Sie sind das Letzte, was ihnen aus vergangenen Zeiten geblieben ist. Längst ist vergessen, dass jeder einzelne Stern an ihren abgewetzten Uniformen einst Macht über Menschen bedeutet hat, Macht, die die kleinen Leute in dieser Stadt zu spüren bekamen. Das große Gehabe aus vergangenen glorreichen Tagen ist
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