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Der Kaiser des Abendlandes

Der Kaiser des Abendlandes

Titel: Der Kaiser des Abendlandes
Autoren: Hanns Kneifel
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gewesen, andere behaupten, in Frankreich. Auch sind die Beschreibungen der Gestalt widersprüchlich, und ebenso unklar ist, ob mehrere dieser Idole existiert haben oder nur eines.
    Den Zugang zur Antwort auf diese Fragen liefert der Name Baffomet. Zwei provencalische Templer nennen diesen Namen, daneben taucht in den Protokollen auch »Magumet« auf. Und hier scheint die Lösung des Rätsels zu liegen.
    Während der ersten Verhöre im November 1307 sagten in der südfranzösischen Stadt Carcassone sieben Templer vor der dortigen Vernehmungskommission aus. Der erste Zeuge war Johannes de Cassanhas, Präzeptor des Templerhauses von Nogareda. Das Protokoll hält seine Aussage zur Aufnahmezeremonie in den Orden fest: »Schließlich [äußerte] besagter Präzeptor von diesem Kasten, der dort war [und] ein Idol aus Messing in menschlicher Gestalt enthielt, bekleidet war gleichwie mit einer Dalmatika, dass er [der Präzeptor] dieses [Idol] auf einem Kasten aufstellte, der dort war, diesen [Anwesenden] sagend: ›Seht einen Freund Gottes, der mit Gott spricht wann er will, der die Gnade bringt, die euch zu diesem Stand führt, den viele sich wünschen und euer Verlangen erfüllte. Dieses Idol verehrten die vorgenannten Brüder, und sie knieten vor diesem in dreifacher Weise und auf jede beliebige Weise; wenn sie das besagte Idol anbeteten, hielten diese das Kruzifix dem Bild entgegen, um dieses völlig zu leugnen, und auf jede beliebige Weise spuckten sie gegen dieses Bild […]« [Finke, II, 1907, S. 322]
    Den voreingenommenen Vernehmern lieferte dieser Zeuge ein sehr geschlossenes Bild von der den Templern unterstellten Verehrung des Idols. Das Idol wird zum Ersatz für Jesus als Vermittler zwischen Menschen und Gott, eine Ungeheuerlichkeit für die Kirche des Mittelalters. Später am gleichen Tag wurde die Aussage von Gaucerand des Montepassato aufgezeichnet. Darin heißt es: »Dann zeigte jener Magister diesen […] ein gewisses vergoldetes Idol in der Gestalt eines bärtigen Menschen. Und weiterhin zeigte er sich und dem anderen Teil [der Anwesenden] ein Kruzifix […]« Auf die Nachfrage des Vernehmers, wie denn dieses Idol gestaltet gewesen sei, antwortete Gaucerand: »Es war in Gestalt eines Baffmet gemacht […]« [Finke, II, S. 323]
    Damit wurde in diesem Protokoll erstmals das Wort festgehalten, dessen Entschlüsselung bis heute den Großteil des um den Templerorden bestehenden Mysteriums ausmacht. Und Gaucerand blieb nicht allein. Auch Raimund Rubei wurde zum Zeugen dafür. In seiner Vernehmung sagte er aus, der ihn in den Orden aufnehmende Präzeptor habe ihm ein Stück Holz gezeigt, auf dem »die Figur eines Baffomet [aufgemalt war] und das jene anbeteten, […] die Füße küssend [und] yalla, ein arabisches Wort sagend.« [Raynouard, 1813, S. 291]
    Diese beiden Aussagen sind die einzigen in den erhaltenen Akten zum Templerprozess, in denen das Wort »Baffomet« überhaupt erscheint. Und doch wurde dieser Begriff seit dem 18. Jahrhundert rasch zum festen Bestandteil der Templerlegende. Die Geständnisse, die am Beginn des 14. Jahrhunderts unter Folter gemacht wurden, wurden von vielen späteren Autoren bereitwillig für wahr angesehen.
    Allerdings bietet das Wort Baffomet tatsächlich einen Hinweis darauf, was man sich unter dem Idol vorstellte und wie es die Vernehmer offensichtlich interpretiert haben. Zunächst ist der Vorwurf der Idolatrie bei den Templern an sich zu betrachten. Wenn es eine Religion gab, der man im Mittelalter die Verehrung eines Götzen nachsagte, dann war es der Islam. Wider besseren Wissens, denn der Koran war schon seit dem 12. Jahrhundert in Europa bekannt durch die lateinische Übersetzung des Robert von Ketton, ging man noch im 14. Jahrhundert davon aus, dass die Muslime ein Idol verehrten. Und darüber hinaus hieß es, Mohammed sei ihr so dargestellter Gott. Diese Diffamierung des Islam konnte sich wahrscheinlich über so lange Zeit auch bei allen Kontakten in den arabischen Raum halten, weil nur einige wenige Gelehrte sich näher mit den Lehren des Propheten Mohammed beschäftigten und diese auch nicht immer ihre Vorurteile ablegten. Hinzu kommt der Umstand, dass man glaubte, der Islam sei eine christliche Häresie, eine Abweichung vom wahren Glauben, nicht eine eigene Religion. Betrachtet man die Anklageschrift gegen die Templer unter diesen Aspekten, so wird ihnen zwar nicht direkt vorgeworfen, heimlich Muslime zu sein, doch enthält der Text genügend Anhaltspunkte, die auf
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