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Der Kaiser des Abendlandes

Der Kaiser des Abendlandes

Titel: Der Kaiser des Abendlandes
Autoren: Hanns Kneifel
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in den deutschen Ländern verbreitet und waren Teil des gesellschaftlichen Lebens geworden, wenn auch nicht überall mit der Duldung der Obrigkeit. In dieser Zeit traten Samuel Rosa und George Frederick Johnson auf, die beide eine eigene Version der Templerlegende verbreiteten. Nach dieser Legende waren die Templer unter Vermittlung der Kanoniker vom Heiligen Grab in den Besitz der spirituellen Geheimnisse der Essener gekommen. In der Nacht vor seiner Hinrichtung habe Jacques de Molay seinen Neffen, den Grafen von Beaujeu, in die Großmeistergruft in Paris geschickt. Von dort brachte Beaujeu das für de Molay bestimmte Grabtuch mit, in dem ein Kasten eingeschlagen war. Dieser Kasten enthielt der Legende nach die Krone des Königreichs Jerusalem, den siebenarmigen Leuchter aus dem Jerusalemer Tempel und vier goldene Evangelistenstatuen. Zudem soll Beaujeu in zwei hohlen Säulen am Eingang zur Gruft enorm viel Geld gefunden haben. [Partner, 1982, S. 111] Nach 1314, so die Legende weiter, hätten die überlebenden Templer ihre Schätze nach Schottland gebracht. Insbesondere Johnson behauptete, im Besitz dieser Geheimnisse zu sein. Zum bekanntesten – und erfolgreichsten – Vertreter der sich nun bildenden templerischen Freimaurerei sollte Baron von Hund werden. Er war ein begabter Organisator und entwarf ein Logensystem nach dem Vorbild der Ordensprovinzen der Templer. Dieser Organisation, so behauptete er, stünden die Unbekannten Oberen vor. Diesen fühlte er sich verpflichtet, denn er war nach seinen eigenen Angaben von diesen Unbekannten in Paris in die Geheimnisse der überlebenden Templer eingeweiht worden. Sein System stieß auf Interesse, die Anhängerschaft wuchs – und bescherte von Hund reichlich Geld. Dieser Erfolg machte es notwendig, sich mit Johnson zu einigen, und man traf sich 1764 in Altenberga. Johnson konnte sich schließlich gegen von Hund durchsetzen. Dieser erwartete nun jedoch, in die Geheimnisse, die Johnson angeblich erfahren hatte, eingeweiht zu werden. Doch es gab wohl keine Geheimnisse preiszugeben. Johnson floh, seine Organisation brach zusammen. Er war der erste der Neu-Templer, dessen Legende in sich zusammenfiel. Von diesem Zeitpunkt an beherrschte von Hunds Strikte Observanz – wie er sein System nannte – die Freimaurerei in Deutschland. Doch auch diesem war kein dauerhafter Erfolg vergönnt. Mit der Zeit kam wieder neue Konkurrenz auf in Form des neuen Templer-Systems von Johann August Starck. Seine Organisation war die des so genannten Tempelklerikats. Starck berief sich dabei auf die Priestergemeinschaft der Kanoniker vom Tempel, die in der Kreuzzugszeit am Felsendom in Jerusalem lebte. Er führte auch den Kult des Baffomet in seine Rituale ein. Auch Starck hatte großen Erfolg, vor allem in den deutschen Adelskreisen. Und so wurden wieder Verhandlungen zwischen den konkurrierenden Systemen erforderlich. Starck und von Hund trafen sich 1772 in Kohlo zu einem Konvent. Hier konnte sich nun Starck durchsetzen, denn von Hund war auf nicht in der Lage, auf beharrliches Nachfragen, seine Behauptungen zu beweisen. Auf den unbedingten Gehorsam den Unbekannten Oberen gegenüber, den von Hund immer gefordert hatte, wurde zwar verzichtet, aber dennoch sein Templersystem trotz der aufgekommenen Zweifel beibehalten. Zum höchsten Repräsentanten des Ordens wurde in Kohlo Herzog Friedrich von Braunschweig ernannt. Noch einmal musste von Hund drei Jahre später in Braunschweig Rede und Antwort stehen. Nun gab er schließlich nach. Er relativierte vor allem seine Behauptungen über die angeblichen Verbindungen des Hauses Stuart zur Freimaurerei, die nie hatten bewiesen werden können. Doch noch konnten sich die Logenmitglieder nicht dazu durchringen, sich vom Ballast der Templerlegende zu befreien. Es folgten weitere fruchtlose Versuche, die Behauptungen Starcks und von Hunds zu beweisen, doch ohne jeden Erfolg. Schließlich berief Herzog Ferdinand von Braunschweig im Jahr 1782 den Konvent von Wilhelmsbad ein. Unter dem Eindruck der erfolglosen Bemühungen, die Geheimnisse des Templerordens aufzudecken oder die Unbekannten Oberen zu identifizieren, wurde hier festgehalten, dass die Strikte Observanz nicht die legitime Nachfolgerin des Templerordens sei. Es wurde aber beschlossen, die Erinnerung an die Tempelritter in der Freimaurerei zu bewahren, wenn auch in eingeschränkter Weise. Von einer angeblichen Kontinuität zwischen dem Ritterorden und der Bruderschaft der Freimaurer wurde nicht mehr
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