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Der Kaiser des Abendlandes

Der Kaiser des Abendlandes

Titel: Der Kaiser des Abendlandes
Autoren: Hanns Kneifel
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eine solche Sichtweise schließen lassen. Die Verfasser formulierten den Vorwurf nicht eindeutig, sondern fassten die einzelnen Punkte der Anklage so allgemein ab, dass die Schuld immer nachgewiesen werden konnte.
    In den späteren Spekulationen um die Geheimnisse des Templerordens sollte Baffomet zu einem Schlüsselbegriff werden, wobei in der Mehrzahl der Publikationen das Wort in der Form »Baphomet« oder »Baphometh« wiedergegeben wird. Ganz am Beginn dieser Spekulationen steht Friedrich Nicolai, der annimmt, es handele sich eigentlich um ein griechisches Wort: »Vielmehr scheint es mir ausgemacht, daß die Benennung Griechisch sey, und Buchstäblich […] die Taufe oder die Tinktur der Weisheit bedeute.« [Nicolai, 1782, S. 120] Auf Grund dieser Annahme ging er davon aus, die Templer seien Anhänger gnostischer Lehren gewesen, die im Nahen Osten bis ins Mittelalter überlebt hätten. Einen weiteren Interpretationsansatz bildet die Vermutung, es habe sich um ein templerisches Geheimwort gehandelt, in dem die Verehrung der Sophia – der »Weisheit« – verschlüsselt sei. Hugh Schonfield stellte die These auf, die Templer hätten den in der jüdischen Kabbalistik verwendeten Atbash-Schlüssel angewandt, um aus dem Wort Sophia den Geheimnamen Baphomet zu machen. [Schonfield, 1984, S. 164] Er übersieht dabei allerdings, dass die überlieferte Schreibweise »Baffomet« ist und eine eindeutige Übertragung der griechischen Buchstaben in die hebräische Schrift – was Voraussetzung für die Anwendung des Atbash in diesem Fall ist – nicht möglich ist. Auch spricht die Verwendung des Wortes in den beiden Aussagen gegen diese These. Immerhin schrieb der Protokollant das Wort nieder – und fragte nicht nach, was es bedeuten sollte! Demnach wussten Zeuge und Vernehmer wohl, was gemeint war.
    In dieser Einigkeit über die Bedeutung des Wortes Baffomet liegt letztendlich der Schlüssel zu seiner Deutung. Die Spur aufzunehmen ist nicht schwer, denn das Wort war im Mittelalter nicht unbekannt. So erscheint es schon in einem Brief, den Anselm von Ribemont an Bischof Manasses von Reims schrieb, in dem er von der Belagerung von Antiochia im Jahr 1098 berichtete. Darin schreibt er, die angreifenden Muslime hätten »Baphometh« angerufen. [Dendl, 1999, S. 156] Und auch das um das Jahr 1100 entstandene »Chanson d’Antioch« spricht von einer Moschee als »Bafumaria«. [Appel, 1907, S. 33] Weitere Spuren des Wortes finden sich in der Lyrik der südfranzösischen Troubadours. So heißt es in einem Gedicht des Troubadours Gauvadan, das zwischen 1210 und 1212 verfasst wurde: »Ihr, o Kaiser, vernehmt es und ihr König von Frankreich und sein Vetter ihr englischer König, poitevinischer Graf, damit ihr Spaniens Königen zu Hilfe eilt: denn niemals gab es einen bessern Anlass, Gott zu dienen. Mit ihm werdet ihr alle die Hunde besiegen, die Bafometz verführt hat, samt den Renegaten und Abtrünnigen.« [Diez, 1882, S. 424] Und auch der um 1265 dichtende Ricaut Bonomel – vermutlich ein Templer – schreibt in einem Gedicht: »[…] weil Gott, der zu unserem Wohl zu wachen pflegte, nun schläft, und Bafometz seine Macht aufbietet, um dem Sultan beizustehen […]«. [Bartholomaeis, II, 1931, S. 223]
    Alle diese Belege zeigen zweifelsfrei, dass es sich bei »Baffomet« oder »Bafomet« um ein provencalisches Wort handelt, das den Gott der Muslime bezeichnet. Bei der Vernehmung in Carcassone sprachen die Zeugen in ihrer Vernehmung ihre Muttersprache – auf Latein wurde lediglich das Protokoll niedergeschrieben. Als Beweis dafür kann der Umstand angesehen werden, dass ein italienischer Templer das Idol als Darstellung des »Magumeth« – Mohammed – bezeichnete. Bei seiner Aufnahme in den Orden habe demnach der Präzeptor Guillelmus de Cavelle zu den in der Kapitelversammlung anwesenden Brüdern gesagt: »Betet dieses Haupt an, das euer Gott ist und euer Magumeth.« [Loiseleur, 1872, S. 184-185]
    Die Zeugen haben also in ihrer Not den Vernehmern das gesagt, was diese wohl hören wollten. Mit der Nennung des »Baffomet« oder des »Magumeth« bezichtigten sie den Orden, Mohammed verehrt zu haben. Schon vor dem Prozess hatten verschiedene Chronisten den Templern zu enge Verbindungen zu den Muslimen vorgeworfen, da sie Verträge mit muslimischen Herrschern abgeschlossen hatten. Auch wurde im Prozess von einem Zeugen behauptet, einer der Großmeister sei zum Islam übergetreten und habe sich verpflichtet, ihn unter den Christen zu
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