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Der Kaiser des Abendlandes

Der Kaiser des Abendlandes

Titel: Der Kaiser des Abendlandes
Autoren: Hanns Kneifel
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dem Ersten Kreuzzug schrieb Fulcher von Chartres, die Lade sei keinesfalls hier zu suchen, sondern, wie es im zweiten Buch der Makkabäer heißt, im Berg Nebo. [Fulcher von Chartres, cap. XXVI, 5-8]
    Charpentier und andere Autoren berichten noch weiteres im Zusammenhang damit, dass die Templer offensichtlich Schriften suchten und auch gefunden haben. Dabei gehen sie von verschiedenen Szenarien aus, denen jedoch allen gemeinsam ist, dass die Gemeinschaft erst gegründet wurde, nachdem ihre Mitglieder die gesuchten Schriften gefunden hatten. Auftraggeber der Suche sollen entweder der Abt von Citeaux, Stephen Harding, oder aber Bernhard von Clairvaux gewesen sein. Es wird dabei angenommen, die gefundenen Schriften hätten Geheimlehren enthalten, die einerseits esoterische Lehren, aber auch architektonische Geheimnisse enthalten hätten. Diese Schriften sollen die Templer nach Frankreich gebracht haben, wo sie – auch unter Mithilfe von Rabbinern – ins Lateinische übersetzt wurden.
    Doch hinter den geheimnisvollen Bemühungen Stephen Hardings verbarg sich ein ganz anderes Projekt. Der Abt war erschrocken über die Abweichungen, die zwischen den seinerzeit verwendeten Bibelhandschriften existierten. Deshalb machte er sich mit wissenschaftlicher Akribie daran, einen Text zu erarbeiten, den er als authentisch ansehen konnte. Bei dieser Arbeit ließ er sich, wie er selbst in der »Censura de aliquot locis bibliorum« [PL, 166, Sp. 1373-1376] darlegt, auch von jüdischen Gelehrten beraten, wenn es um Fragen zu den Texten des Alten Testaments ging. Das Ergebnis seiner im Jahr 1112 abgeschlossenen Arbeit, die so genannte Stephen-Harding-Bibel, ist bis heute erhalten. [Dinzelbacher, 1998, S. 22]
    Die Vermutung, die ersten Templer seien in den Jahren bis 1128 einer geheimgehaltenen Tätigkeit nachgegangen, basiert allein auf dem Umstand, dass Wilhelm von Tyrus nichts über die Aktivitäten der Templer in dieser Zeit mitteilt. Zu bedenken ist hierbei, dass Wilhelm erst 1170 mit seiner Chronik begann. Dabei berichtet Odericus Vitalis (1075-1142) als Zeitgenosse, dass Graf Fulko von Anjou schon im Jahr 1120 – also nur ein Jahr nach der Gründung des Ordens – in Jerusalem war und sich als so genannter Affillierter den Templern angeschlossen habe. Später verfügte er, dem Orden jährlich eine Summe aus seinem Vermögen zukommen zu lassen. [Odericus Vitalis, Historia ecclesiastica, Pars III, Lib. XII, cap. XV (PL, Vol. 188, Sp. 893-894); CT VIII (S. 5)] Schon in diesem Jahr muss also die Gemeinschaft bereits fremde Ritter aufgenommen haben: Ein Beleg dafür, dass sie nichts zu verbergen hatten. Dass die Templer in der Frühzeit tatsächlich ihre selbstgestellte Aufgabe als Beschützer der Pilger wahrnahmen, bestätigt im weiteren eine Urkunde aus dem Jahr 1125, in der es heißt: »Die genannten Ritter halten sich bereit, damit sie [die Pilger; JD] sicherer zu den geheiligten Stätten aufbrechen können, indem sie sie dorthin und wieder zurück begleiten. Schon ist ihre ruhmreiche Fama allenthalben auf Erden offen an viele gelangt […]« [zit. n. Bulst-Thiele, 1974, S. 19, Anm. 4] Im gleichen Jahr erscheint ein »Robert, Ritter vom Tempel« als Zeuge auf einer Urkunde, der wohl nicht zu den Gründern gehörte. Und auch Graf Hugo von der Champagne wurde im Jahr 1125 Templer. [Alberich von Troisfontaines, Chronik 1125 (MGH SS, Vol. XXIII, S. 826); Bernhard von Clairvaux, Brief 31] Damit ist wiederum die Behauptung von Wilhelm von Tyrus widerlegt, es seien neun Jahre lang keine weiteren Mitglieder aufgenommen worden.

 
    Die mysteriösen Ausgrabungen
     
    Es bleibt die Behauptung, die Templer hätten am Tempelplatz Ausgrabungen vorgenommen. Tatsache ist, dass der Orden schon kurz nach seiner Gründung eine rege Bautätigkeit am Südrand des Tempelplatzes entfaltete, wovon der Pilger Theoderich den umfassendsten Bericht gibt. Er spricht von mehreren Gebäuden, die an die al-Aksa-Moschee angebaut wurden, darunter Lagerräume, ein Refektorium und eine Kirche. Das ehemalige Refektorium ist heute die Frauenmoschee. Auch das Nordportal der Moschee wurde umgestaltet. So gehen die mittleren Bögen der spitzbogigen Arkaden auf den Umbau der Templer zurück. Ebenso wurde das Innere der al-Aksa-Moschee grundlegend umgestaltet. Eine Trennwand wurde eingezogen, um Wohnräume zu schaffen, und man baute auch einen Kreuzgang und eine Kapelle ein. An der Ostseite der Moschee ist noch immer eine Rosette dieser Kapelle zu sehen. Südlich des
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