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Der Joker

Titel: Der Joker
Autoren: Markus Zusak Alexandra Ernst
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Foto meiner Familie auf dem Fernseher steht ein Bild von Audrey, Marv, Ritchie und mir. Wir haben es letztes Jahr an Weihnachten per Selbstauslöser mit Audreys Fotoapparat geschossen und da sind wir nun. Marv mit seiner Zigarre. Ritchie halb lächelnd. Audrey lachend. Und ich mit meinen Karten in der Hand, dem beschissensten Blatt, das je ein Kartenspieler an Weihnachten aufgenommen hat.

    Ich koche.
    Ich esse.
    Ich wasche meine Wäsche, aber bügele sie nur selten.
    Ich lebe in der Vergangenheit und halte Cindy Crawford für das beste Fotomodell aller Zeiten.
    Das ist mein Leben.
     
     
    Ich habe dunkle Haare, leicht gebräunte Haut, kaffeebraune Augen. Meine Muskulatur ist ziemlich normal. Ich sollte mich aufrechter halten, aber ich tue es nicht. Ich stehe immer mit den Händen in den Hosentaschen da. Meine Stiefel fallen auseinander, aber ich trage sie trotzdem, weil ich sie liebe und schätze.
    Ziemlich oft ziehe ich diese Stiefel an und gehe nach draußen. Manchmal gehe ich zum Fluss, der durch unsere Stadt fließt, oder ich gehe auf dem Friedhof spazieren und besuche dort meinen Vater. Der Türsteher begleitet mich, wenn er zufällig mal wach ist.
    Am liebsten laufe ich mit den Händen in den Hosentaschen und dem Türsteher an meiner Seite herum und stelle mir vor, dass Audrey auf der anderen Seite neben mir geht.
    Ich sehe uns immer nur von hinten.
    Die Dämmerung wandelt sich in Dunkelheit.
    Da geht Audrey.
    Da geht der Türsteher.
    Da gehe ich.
    Und ich halte Audreys Hand in meiner.
    Noch habe ich keinen Song von der Klasse eines Bob Dylan geschrieben oder meine ersten surrealistischen Versuche auf die Leinwand gebannt, und ich bezweifle, dass
ich je in der Lage sein werde, eine Revolution anzuzetteln, selbst wenn ich es versuchen würde, denn abgesehen von allem anderen tauge ich zu so etwas überhaupt nicht, obwohl ich schlank und wendig bin. Und schwach.
    Ich glaube, ich fühle mich am wohlsten, wenn ich Karten spiele oder wenn ich jemanden irgendwo abgesetzt habe - vielleicht in der Großstadt oder noch weiter im Norden - und wieder auf dem Heimweg bin. Das Seitenfenster ist runtergekurbelt, der Wind fährt mir mit schmalen Fingern durchs Haar und ich grinse den Horizont an.
    Dann fahre ich auf den Parkplatz des Taxiunternehmens.
    Manchmal hasse ich den Knall, mit dem die Autotür ins Schloss fällt.
     
     
    Ich habe es, glaube ich, schon erwähnt: Ich bin schrecklich in Audrey verliebt.
    Audrey, die schon mit einer Unmenge Männern Sex hatte, aber noch nie mit mir. Sie sagt immer, dass sie mich zu sehr mag, um es mit mir zu machen, und ehrlich gesagt habe ich noch nie den Versuch unternommen, sie nackt und fremd und zitternd in mein Bett zu kriegen. Ich habe zu viel Angst. Ich hab ja schon erzählt, dass ich in Sachen Sex nicht viel vorzuweisen habe. Ich hatte ein, zwei Freundinnen und die haben mir in dieser Beziehung keine Bestnoten gegeben. Eine sagte mir, ich wäre der ungeschickteste Typ, der ihr je untergekommen ist. Die andere fing jedes Mal an zu lachen, wenn ich sie anfasste, was meinem Selbstbewusstsein nicht gerade zuträglich war. Sie hat mir ziemlich schnell den Laufpass gegeben. Kein Wunder.
    Ich persönlich finde, dass Sex wie Mathe sein sollte.
    In der Schule.

    Keinen kümmert es, wenn er in Mathe ein Versager ist. Man brüstet sich sogar damit. Man sagt jedem, der es hören will: »Klar, Bio und Englisch sind ganz okay, aber in Mathe bin ich die Vollniete!« Und die anderen lachen und sagen: »Geht mir nicht anders. Diesen ganzen Logarithmusscheiß kapier ich im Leben nicht.«
    Genau das Gleiche sollte man zum Thema Sex sagen können.
    Man sollte stolz verkünden dürfen: »Diesen ganzen Orgasmusscheiß kapier ich im Leben nicht, echt jetzt. Alles andere ist ja ganz okay, aber in dieser Beziehung habe ich keinen blassen Schimmer.«
    Aber das sagt niemand.
    Das kann man nicht sagen.
    Besonders als Mann nicht.
    Wir Männer glauben, dass wir beim Sex gut sein müssen , aber ich stelle mich jetzt vor dich hin und sage, dass ich es nicht bin. Ich sollte vielleicht noch erwähnen, dass ich davon überzeugt bin, dass auch meine Fähigkeiten im Küssen ziemlich zu wünschen übrig lassen. Eine von den beiden Freundinnen hat versucht, es mir beizubringen, aber irgendwann aufgegeben. Offenbar ist meine Zungenfertigkeit einfach hoffnungslos, aber was soll ich machen?
    Es ist doch nur Sex.
    Das sage ich mir immer wieder.
    Ich lüge ziemlich oft.
    Um auf Audrey zurückzukommen: Ich sollte mich
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