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Der Joker

Titel: Der Joker
Autoren: Markus Zusak Alexandra Ernst
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einzigen Cent in diesen Falcon zu stecken.
     
     
    Draußen vor der Polizeiwache warten Audrey und Ritchie auf uns, aber sie sind nicht allein. Jede Menge Journalisten haben sich versammelt und schießen jede Menge Fotos.
    »Das ist er!«, ruft jemand, und bevor ich irgendetwas abstreiten kann, hängt mir die ganze Meute am Hals und stellt mir Fragen. Ich antworte, so schnell ich kann, und erkläre noch einmal, was passiert ist. Der Vorort, in dem ich wohne,
ist nicht gerade klein, und alle haben sich versammelt: Radio-, Fernseh- und Zeitungsreporter, die die Geschichte aufschreiben und am nächsten Tag der Öffentlichkeit präsentieren werden.
    Ich kann schon die Schlagzeilen vor mir sehen.
    So was wie »HELDENHAFTER TAXIFAHRER« wäre nett, aber wahrscheinlich steht da eher »TROTTEL HATTE’NEN GUTEN TAG«. Marv wird sich totlachen.
    Nach etwa zehn Minuten Fragerei löst sich die Meute auf und wir gehen zurück zum Parkplatz. Unter dem Scheibenwischer des Falcon steckt ein saftiger Strafzettel.
    »Diese Arschlöcher«, kommentiert Audrey. Marv reißt ihn heraus und liest ihn. Wir waren eigentlich zur Bank gegangen, um Marvs Gehaltsscheck einzulösen. Jetzt kann er mit dem Geld den Strafzettel bezahlen.
    Wir bemühen uns, so gut es geht, das Glas von den Autositzen zu fegen, und steigen ein. Marv dreht den Zündschlüssel achtmal herum. Der Wagen springt nicht an.
    »Na klasse«, sagt er.
    »Typisch«, sagt Ritchie.
    Audrey und ich sagen gar nichts.
    Audrey lenkt und der Rest von uns schiebt. Wir bringen den Wagen zu mir nach Hause, weil das am nächsten ist.
    Ein paar Tage später bekomme ich die erste Botschaft.
    Sie verändert alles.

2
    Eine Einführung in mein Leben: Sex sollte so sein wie Mathematik
    Ich erzähl dir mal ein bisschen was von meinem Leben.
    Ein paar Abende in der Woche spiele ich Karten.
    So verbringen wir unsere Zeit.
    Wir spielen ein Spiel, das »Annoyance« - Nervtöter - heißt. Es ist nicht besonders schwer, und es ist das einzige Spiel, das uns allen Spaß macht und bei dem wir uns nicht ständig streiten.
    Da ist zum einen Marv, der keine Sekunde lang die Klappe hält, dasitzt und Zigarre raucht und so tut, als würde es ihm schmecken.
    Dann ist da Ritchie, der ewig Schweigsame, der stets die lächerliche Tätowierung auf seinem rechten Arm zur Schau stellt, den ganzen Abend lang an einem einzigen Bier nippt und von Zeit zu Zeit über seine Koteletten streicht, die ungleichmäßig auf seinem Babygesicht aufgeklebt zu sein scheinen.
    Dann ist da noch Audrey. Audrey sitzt immer mir gegenüber, egal was wir spielen. Sie hat gelbe Haare, sehnige Beine, das schönste schiefe Lächeln der Welt, herrliche Hüften und sie schaut sich oft Filme an. Sie fährt Taxi, genau wie ich.
    Und dann bin da noch ich.
     
     
    Aber bevor ich näher auf mich eingehe, sollte ich ein paar andere Tatsachen erwähnen:
    1. Mit neunzehn Jahren gastierte Bob Dylan auf den Bühnen von Greenwich Village, New York.

    2. Mit neunzehn Jahren hatte Salvador Dalí bereits etliche herausragende, atemberaubende Kunstwerke geschaffen.
    3. Mit neunzehn Jahren war Johanna von Orléans die berühmteste Frau der Welt. Sie hatte gerade eine Revolution vom Zaun gebrochen.
    Und dann ist da noch Ed Kennedy, ebenfalls neunzehn Jahre alt.
    Kurz bevor ich in den Bankraub geraten bin, habe ich Bilanz über mein Leben gezogen.
    Ein Taxifahrer, der schwindelt, was sein Alter angeht. (Eigentlich muss man zwanzig sein, um Taxi fahren zu dürfen.)
    Keine Ausbildung.
    Keine Stellung in der Gesellschaft.
    Nichts.
    Mir ist klar geworden, dass überall auf der Welt Menschen Großartiges leisten, während ich mich von kahl werdenden Geschäftsleuten namens Derek durch die Großstadt jagen lasse und aufpassen muss, dass mir freitagnachts die Besoffenen nicht auf den Sitz kotzen oder abhauen, bevor sie bezahlen. Es war Audreys Vorschlag, dass ich mich als Taxifahrer versuchen soll. Sie musste mich nicht lange überreden, hauptsächlich weil ich seit Jahren in sie verliebt bin. Ich bin nie aus der Vorstadt herausgekommen. Ich bin nicht zur Uni gegangen. Ich ging zu Audrey.
    Ständig frage ich mich: »Nun, Ed, was hast du in den neunzehn Jahren deines Lebens erreicht?« Die Antwort ist einfach:
    Einen Scheiß.
    Ich habe ein paar Leuten davon erzählt, aber alle haben
gesagt, ich soll mich nicht so anstellen. Marv nannte mich einen erstklassigen Jammerlappen. Audrey sagte, es sei zwanzig Jahre zu früh für eine Midlifecrisis. Ritchie schaute mich
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