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Der Joker

Titel: Der Joker
Autoren: Markus Zusak Alexandra Ernst
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mir bekannt vor.
     
     
    Den ganzen Tag denke ich über vieles nach, obwohl ich versuche, es nicht zu tun. Ich blättere durch die Mappe. Es steht alles da, wie er gesagt hat. All die Ideen und all die Menschen. Skizzen. Sätze. Szenen. Anfänge und Enden, die zusammengefügt sind.
    Stunden wandern vorbei.
    Tage folgen ihnen.
     
     
    Ich gehe nicht aus dem Haus und ignoriere das Telefon. Ich esse kaum etwas. Der Türsteher sitzt bei mir, während die Minuten vergehen.

    Lange frage ich mich, worauf ich warte, aber ich begreife, dass es genau so ist, wie er sagte.
    Ich warte auf ein Leben nach diesen Seiten.

J
    Die Botschaft
    Eines Nachmittags höre ich ein Klopfen, das mir wie das letzte Klopfen vorkommt, das jemals an meiner Tür erklingen wird. Dort draußen, auf meiner baufälligen Veranda, steht Audrey.
    Ihre Augen hängen einen Moment in der Luft, und sie fragt, ob sie hereinkommen kann.
    In der Diele lehnt sie sich gegen die geschlossene Haustür und fragt: »Ed, kann ich hier bleiben?«
    Ich gehe zu ihr. »Natürlich kannst du heute Nacht hier bleiben«, aber sie schüttelt den Kopf, und ihre Augen lassen los und fallen zu Boden. Audrey kommt auf mich zu und streckt die Arme aus.
    »Nicht für heute Nacht«, sagt sie. »Für immer.«
    Wir sinken auf den Boden meiner Diele und Audrey küsst mich. Ihre Lippen vereinigen sich mit meinen und ich schmecke ihren Atem und schlucke und fühle und tauche hinein. Er streichelt meine Kehle mit Strömen ihrer Schönheit. Ich halte ihre strohgelben Haare. Ich berühre die weiche Haut auf ihrem Nacken und sie küsst mich wieder. Sie will es.
    Als wir einhalten, kommt der Türsteher zu uns und legt sich neben mich.
    »Hallo, Türsteher«, sagt Audrey, und wieder fallen Tränen aus ihren Augen. Sie sieht glücklich aus.

    Der Türsteher schaut uns beide an. Er ist der Weise. Er ist die Klugheit. Er sagt: Na, das wurde aber auch Zeit, ihr beiden.
     
     
    Wir bleiben beinahe eine Stunde lang in der Diele und ich erzähle Audrey alles. Sie hört aufmerksam zu, während sie den Türsteher tätschelt, und sie glaubt mir jedes Wort. Mir wird klar, dass mir Audrey schon immer geglaubt hat.
    Ich will mich gerade völlig entspannen, als eine letzte Frage in mich hineinschlüpft. Sie versucht, mir wieder zu entwischen, rutscht aber aus und bleibt liegen.
    »Die Mappe«, sage ich.
    Ich stehe auf und gehe eilig ins Wohnzimmer. Auf meinen Knien blättere ich hektisch durch die Mappe. Ich sitze da und durchkämme sie. Ich krame und schiebe die losen Zettel hin und her.
    »Was tust du da?«, fragt Audrey. Sie ist hereingekommen und steht hinter mir.
    Ich drehe mich um und schaue sie an.
    »Ich suche hiernach «, sage ich zu ihr. Dabei wedele ich mit der Hand zwischen uns beiden hin und her. »Ich suche nach uns, nach dir und mir, zusammen.«
    Audrey hockt sich wortlos neben mich. Sie kniet sich hin und legt ihre Hand auf meine, damit ich die Blätter loslasse.
    »Ich glaube nicht, dass es da drin steht«, sagt sie leise. »Ich glaube, Ed...« Ihre Hände halten jetzt sanft mein Gesicht. Das orangefarbene Licht des späten Nachmittags kleidet sie ein. »Ich glaube, das gehört uns allein.«
     
     
    Es ist jetzt Abend und Audrey und ich trinken zusammen mit dem Türsteher Kaffee auf der Veranda. Er lächelt mich
an, als er ausgetrunken hat, und fällt in seinen üblichen, leichten Schlaf, direkt neben der Tür. Koffein hat keinerlei Wirkung mehr auf ihn.
    Audreys Finger halten meine fest. Das Licht bleibt ein paar Momente länger, und wieder höre ich die Worte: »Wenn ein Typ wie du sich aufrappeln und das tun kann, was du für diese Menschen getan hast, dann kann es womöglich jeder andere auch. Vielleicht kann jeder über seine eigenen Grenzen hinausgehen.«
     
     
    In dieser Sekunde geht mir ein Licht auf.
    In einem herrlichen, grausamen, wunderschönen Moment der Klarheit lächle ich, betrachte einen Riss im Zement und sage zu Audrey und dem schlafenden Türsteher das, was ich jetzt zu dir sage:
     
     
    Ich bin gar nicht der Überbringer der Botschaft.
     
    Ich bin die Botschaft.

Die Idee zu »Der Joker« kam Markus Zusak eines Abends, als er im Park Fish’n’ Chips aß und dabei auf Kundenparkplätze einer Bank blickte - Parkplätze mit maximaler Parkdauer von einer Viertelstunde. Sein erster Gedanke: »Allein am Schalter anzustehen, dauert da ja länger!« Dann: »Was wäre, wenn die Bank, in der du gerade Schlange stehst, überfallen würde, während draußen dein Auto auf
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