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Der Joker

Titel: Der Joker
Autoren: Markus Zusak Alexandra Ernst
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hinaus. Ich renne die Straße hinauf und in Richtung des Friedhofs. Die Nacht ist von jener blauschwarzen Färbung. Der Himmel ist mit zementfarbenen Wolken gepflastert.
    Der Friedhof liegt vor mir, und ich eile zu dem Bereich, wo mein Vater begraben liegt. In der Nähe stehen zwei Sicherheitsbeamte.
    Sicherheitsbeamte?
     
     
    Nein.
     
     
    Es sind Daryl und Keith.
    Ich bleibe wie angewurzelt stehen und die beiden schauen mir entgegen. Daryl sagt etwas.
    »Glückwunsch, Ed.«

    Ich hole meinen Atem ein.
    »Mein Vater?«
    »Du bist tatsächlich so, wie er war«, klärt mich Keith auf, »und genau wie er wärst du wahrscheinlich auch gestorben - nur ein Bruchteil dessen, was du hättest sein können…«
    »Also hat er euch geschickt, um das alles zu veranstalten? Er hat es euch aufgetragen, bevor er starb?«
    Daryl kommt auf mich zu. »Weißt du, Ed, du warst schon immer ein hoffnungsloser Fall, genauso wie dein alter Herr - nichts für ungut.«
    »Schon in Ordnung.«
    »Und wir sind angewiesen worden, dich zu prüfen - zu sehen, ob du diesem Leben«, und dabei deutet er gleichmütig auf das Grab, »den Rücken kehren kannst.«
    »Es ist nur...«, schaltet sich jetzt Keith ein. »Es war nicht dein Vater, der uns angewiesen hat.«
     
     
    Es dauert eine Weile, bis seine Worte in mich eingesunken sind.
    Es war nicht Audrey. Es war nicht mein Vater.
    Unzählige Fragen durchströmen mich, wie Menschenschlangen, die ein Footballfeld oder ein Rockkonzert verlassen. Sie schieben und schubsen und stolpern. Ein paar schaffen es zum Ausgang. Ein paar bleiben auf ihren Plätzen sitzen und warten auf den geeigneten Augenblick.
    »Was macht ihr dann hier?«, will ich wissen. »Woher wusstet ihr, dass ich hier sein würde, genau in diesem Augenblick?«
    »Unser Auftraggeber hat uns informiert«, erklärt Daryl.
    »Er sagte uns, dass wir dich hier treffen würden«, ergänzt Keith. Die beiden sind heute ein gut eingespieltes Team.

    »Und hier sind wir.« Er lächelt mich an, beinahe mitfühlend.
    »Bislang hat er sich noch nie geirrt.«
    Ich versuche nachzudenken, dem Ganzen einen Sinn zu verleihen.
    »Nun«, sage ich, aber es scheint so, als würden mir die Worte fehlen, die nötig sind, um den Satz fortzusetzen. Dann finde ich sie. »Wer ist euer Auftraggeber?«
    Daryl schüttelt den Kopf. »Das wissen wir nicht, Ed. Wir tun nur, was man uns sagt.« Er verknüpft einige lose Fäden. »Allerdings, Ed, wurdest du heute Nacht tatsächlich hierher geschickt, um dich daran zu erinnern, dass du nicht so sterben willst wie dein Vater. Verstanden?«
    Ich nicke zustimmend.
    »Und jetzt ist es unsere Aufgabe, dir noch ein letztes Mal eine Nachricht zu überbringen. Danach werden wir für immer aus deinem Leben verschwinden.«
    Ich sperre die Ohren auf. »Wie lautet die Nachricht?«
    Sie haben sich bereits abgewendet. Im Davongehen sagt Daryl: »Dass du noch ein bisschen länger warten musst. Klar?«
    Ich stehe da.
    Was kann ich sonst tun, außer dazustehen?
    Ich schaue Daryl und Keith nach, die in aller Seelenruhe in die Nacht verschwinden. Sie verschwinden und ich werde sie nie mehr wieder sehen.
    »Danke«, sage ich, aber sie hören mich nicht. Das ist schade.
     
     
    Ein paar Tage vergehen. Mir ist klar, dass ich nichts anderes tun kann als warten. Ich will schon aufgeben, als ich eines Morgens in der Dämmerung in Richtung Taxiunternehmen
unterwegs bin und mich ein junger Mann in Jeans, Jacke und mit einer Baseballkappe herbeiwinkt.
    Er setzt sich auf den Rücksitz.
    Wie gewöhnlich.
    Ich frage nach seinem Ziel.
    Wie gewöhnlich.
    Dann bekomme ich die Antwort.
    »Shipping Street 26.«
    Wie ungewöhnlich.
     
     
    Die Worte lähmen mich und beinahe hätte ich abgebremst.
    »Fahr einfach weiter«, sagt er, aber er schaut nicht auf. »Wie ich dir gesagt habe, Ed. Shipping Street 26.«
    Ich fahre.
    Wir sagen beide kein Wort, bis wir in den Vorort kommen. Ich fahre vorsichtig, mit nervösen Augen und einem rasend schnell schlagenden Herzen.
    Ich biege in meine Straße ein und halte vor meiner Hütte.
    Endlich zieht die Person auf dem Rücksitz die Baseballkappe ab und schaut hoch, sodass ich sie zum ersten Mal richtig sehen kann, im Rückspiegel.
    »Du!«, rufe ich.
    »Ja.«
    Etwas Mächtigeres als Schock oder Überraschung hat jeden meiner Gedanken gestohlen, jedes Wort, das ich hätte sagen können. Denn im Fond des Taxis sitzt der glücklose Bankräuber, den ich vor vielen Monaten gestellt habe. Er trägt immer noch rotbraune
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