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Der Joker

Titel: Der Joker
Autoren: Markus Zusak Alexandra Ernst
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dass ich ihn riechen kann, dass ich die Freude schmecken kann, die aus seinem Innern strömt.
     
     
    Ritchie und Marv wären also geschafft. Diese beiden Botschaften habe ich so gut überbracht, wie ich nur konnte.
    Jetzt bleibt nur noch eine Einzige übrig.
    Audrey.
     
     
    Ich will keine Zeit verlieren. Ich bin so weit gekommen seit dem Bankraub damals. Ich habe mich durch elf Aufgaben gekämpft und dies ist die letzte. Die wichtigste.
    Am nächsten Abend gehe ich ohne Umwege zu Audrey und halte Wache. Eine Zeit lang schaue ich mich um, ob Daryl und Keith wieder auftauchen, aber sie lassen sich nicht blicken. Ich weiß, was ich tue, und wann immer das der Fall ist, scheint man mich in Ruhe zu lassen.
    Ich sitze nicht direkt gegenüber von Audreys Haus, sondern in einem kleinen Park etwas weiter die Straße hinunter.
Hier gibt es einen neuen Spielplatz. Alles ist mickrig klein und aus Plastik. Der Rasen ist sorgfältig gemäht.
    Ihr Haus steht in einer Reihe mit acht oder neun identischen Gebäuden. Sie sehen aus wie gegeneinander geschoben. Davor parken Autos.
     
     
    An drei Abenden gehe ich zu ihr. Jedes Mal taucht Simon auf, aber er sieht mich nicht, wie ich in dem kleinen Park auf der Lauer liege. Er ist mit seinen Gedanken ganz bei Audrey und dabei, was sie miteinander tun werden. Selbst aus der Entfernung kann ich sein Verlangen erkennen, wenn er vorfährt.
     
     
    Wenn er drin ist, schleiche ich näher, bis zum Briefkasten, und schaue zu.
     
     
    Sie essen.
    Sie haben Sex.
    Sie trinken.
    Sie haben wieder Sex.
     
     
    Die Geräusche rutschen unter der Tür hindurch, vor der ich stehe. Ich denke an das Gespräch mit Simon an Weihnachten, nachdem ich Milla nach Hause gebracht habe.
    Ich weiß, was ich Audrey geben muss.
    Audrey liebt niemanden.
    Sie weigert sich.
    Aber sie liebt mich.
    Sie liebt mich, und einmal, nur einen einzigen Moment lang, muss sie es zulassen. Sie muss es annehmen. Es ganz und gar wissen. Ein einziges Mal.

    In allen drei Nächten bleibe ich bis zum Morgen. Simon verlässt sie, bevor die Sonne aufgeht. Wahrscheinlich hat er Frühschicht.
    Nach der dritten Nacht denke ich.
    Morgen .
    Ja.
    Morgen tue ich’s.

B
    Marvs späte Erkenntnis
    Kurz bevor ich mich am nächsten Abend auf den Weg zu Audrey mache, taucht Marv wieder bei mir auf, diesmal mit einer Frage.
    Ich gehe aus dem Haus, aber er bleibt hartnäckig stehen.
    Von der Veranda aus fragt er mich: »Brauchst du das Geld immer noch, Ed?« Er schaut mich besorgt an. »Es tut mir Leid, ich hatte die Sache völlig vergessen.«
    »Mach dir keine Sorgen«, erwidere ich. »Ich glaube, ich brauche es doch nicht.«
    Ich habe einen alten, zerbeulten Kassettenrekorder unter dem Arm, in dem eine Kassette steckt.
    Während ich weitergehe, wirft Marv seine Stimme aus wie ein Seil und zwingt mich, mich zu ihm umzudrehen.
    Nachdenklich schaut er mich an und fragt: »Hast du das Geld jemals wirklich haben wollen?«
    Ich gehe auf ihn zu.
    »Nein.« Ich schüttele den Kopf.
    »Aber warum…« Er kommt die Stufen der Veranda zu
mir herunter, um mich richtig ansehen zu können. »Warum hast du dann gesagt, dass...«
    »Ich habe die Karte behalten, die ich damals im Briefkasten vorgefunden habe.« Wenn ich Ritchie die Wahrheit sage, dann kann ich Marv nicht im Unklaren lassen. Ich erkläre es ihm. Alles. »Marv, ich habe Karo, Kreuz und Pik überstanden und habe noch ein Herz vor mir.«
    »War ich auch...?«
    »Ja, Marv«, antworte ich. »Du warst ein Herz.«
    Stille.
    Verblüffung.
    Marv steht in meiner Einfahrt und hat keine Ahnung, was er sagen soll. Aber er sieht glücklich aus.
    Als ich schon ein ganzes Stück weit gegangen bin, ruft er mir nach: »Ist Audrey das letzte Herz?«
    Ich drehe mich um und schaue ihn an, gehe dabei rückwärts weiter.
    »Na, dann viel Glück!«, antwortet er.
    Diesmal lächle ich und winke ihm zu.

D
    Audrey zum Zweiten: Drei Minuten
    Alles ist wie immer, außer dass ich das Gefühl habe, der Kassettenrekorder neben mir sei ein Gefährte, der gemeinsam mit mir dem einen Moment entgegenfiebert, während der Mond aufgeht, sinkt und schließlich in der Morgendämmerung verblasst. Ich frage mich eine Sekunde lang, warum ich mir nicht einfach meinen Wecker gestellt habe
und erst in der Dämmerung hergekommen bin, aber ich weiß, dass ich es richtig machen muss. Ich muss die Nacht erleiden, um die Sache ordentlich zu Ende zu bringen.
    Meine Beine strecken sich, aber die Nacht erstreckt sich länger. Das erste Licht
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