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Drachenschwester 01 - Thubans Vermächtnis

Titel: Drachenschwester 01 - Thubans Vermächtnis
Autoren: Licia Troisi
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Prolog

    Noch einmal brüllte Thuban auf und dieser Aufschrei erschütterte die Erde bis ins Mark. Ein gleißender Lichtschein erfasste das kahle Geäst des Weltenbaumes, und alles verschmolz, war nur noch Licht und Getöse.
    Lung presste die Hände auf die Ohren und kauerte sich zitternd zusammen. Er war sich sicher: Dieses Brüllen würde alles hinwegfegen.
    Doch als der Schrei verhallte, verebbte auch das Beben. Vorsichtig öffnete der Junge die Augen und erblickte durch den Staub des Schlachtfelds wieder die marmornen Zinnen der Stadt. Drakonien stand noch, strahlte in blendendem Weiß vor einem bleiernen, regengetränkten Himmel. Vollkommene Stille breitete sich aus, so als warte die gesamte Welt auf ein Zeichen.
    Verborgen hinter dem schützenden Fels, hielt Lung den Atem an.
    Entsetzt hatte er verfolgt, wie die ineinander verkrallten Leiber Thubans und Nidhoggrs miteinander kämpften, hatte mitangesehen, wie der Weltenbaum mit jeder neuen Attacke Früchte verlor und sein Lebenssaft stockte. Die Angst, jeden Moment könne die Erde unter den wuchtigen Schlägen dieser riesigen Leiber auseinanderbrechen, hatte ihn vollkommen gelähmt. Er konnte nichts tun, konnte nur beten, dass der Kampf bald enden und Thuban gewinnen würde. Sonst war alles aus.
    Die unwirkliche Stille aber, die nun herrschte, kam Lung noch unerträglicher vor. Von einer schlimmen Vorahnung erfüllt, nahm er endlich allen Mut zusammen und lehnte sich aus seinem Versteck vor, um zu sehen, was geschehen war. Nidhoggr war verschwunden, während Thubans mächtige Gestalt vom Schlachtfeld aufragte. Doch seine weiten Flügel waren zerfetzt und das Blut rann in Strömen an den Schuppen hinunter.
    Lung sah, wie sein Herr, der Drache, das Maul zum Himmel reckte. Die ersten Regentropfen fielen, ein Donner zerriss die heiße Luft in der Ebene, und bald füllte das sanfte Prasseln des Regens die Stille, die zuvor alle Geräusche verschluckt hatte. Triumphierend funkelten Thubans Augen, dann sank er fast lautlos zu Boden, sein mächtiger Leib reichte fast von einem Ende der Lichtung zum anderen.
    » Nein!«
    Lung sprang aus seinem Versteck hervor, rannte so schnell er konnte über die schlammige Wiese zu seinem Herrn und kniete sich neben ihn.
    » O Herr, Ihr seid verwundet«, rief er mit zitternder Stimme.
    Spitze Stacheln zogen sich über die Seiten des Drachenschädels, das Maul war riesig, fast halb so groß wie sein Leib. Jeder hätte sich zu Tode gefürchtet vor diesem Gebiss aus langen Reißzähnen, doch so furchterregend sein Äußeres auch sein mochte, Lung hatte keine Angst. Für ihn waren es die Züge eines Freundes.
    Der Blick der wunderschönen blauen Drachenaugen war verschleiert und der Atem kam immer stockender. Lung spürte, wie Tränen ihm die Kehle zuschnürten. Niemals hätte er es für möglich gehalten, den großen Thuban, den weisesten und stärksten aller Drachen, einmal in einem solchen erbarmungswürdigen Zustand sehen zu müssen.
    » Es ist vollbracht … ich habe ihn besiegt …«, murmelte Thuban kaum vernehmlich.
    Der Junge erkannte seine Stimme kaum wieder, so schwach und leise war sie. » Schont Eure Kräfte, Herr, ich kümmere mich um Eure Wunden!«, sagte er rasch, wobei er eine Hand auf den Kopf des Drachen legte. Er betrachtete den Körper des Tieres und jede Wunde ließ ihn zusammenzucken. Thuban war schwer verletzt, aber er durfte die Hoffnung nicht sinken lassen. Er musste den Drachen retten, dann würde wieder alles so wie früher sein.
    » Hör genau zu, was ich dir zu sagen habe, Lung, denn mir bleibt nicht mehr viel Zeit«, begann der Drache. » Nidhoggr ist nicht endgültig besiegt. Zwar konnte ich seine Kräfte bannen und ihn hier unter uns in den Tiefen der Erde festsetzen. Doch dafür musste ich meine letzten Reserven aufbieten und mein Ende naht.«
    Nein. Er musste sich irren. Das durfte nicht wahr sein, nicht nach allem, was geschehen war. » Aber Ihr könnt nicht gehen. Was ist mit dem Weltenbaum? Ihr müsst ihn wieder erblühen lassen und seine verlorenen Früchte einsammeln. Und es gibt noch so viel, was Ihr mir beibringen müsst, ich …«
    » Lung«, unterbrach Thuban ihn, » das Zeitalter der Drachen neigt sich dem Ende zu. Nun ist es an euch Menschen, für den Erhalt des Lebens zu sorgen. Der Weltenbaum ist nicht tot, Nidhoggr hat es nicht geschafft, ihn ganz zu vernichten. Also ist dies nicht das Ende von allem, sondern nur ein neuer Anfang …«
    Jetzt verstand Lung, was hier geschah. Die Welt, so
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