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Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser

Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser

Titel: Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser
Autoren: Richard Dübell
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Das Ende der Welt
    D er Mann stank.
    Der Mann war ein Prophet.
    Er gehörte zu jener Sorte von heiligen Männern, die das Recht beanspruchen, sich weder die Finger- noch die Fußnägel zu beschneiden, sich den Kopf nicht zu scheren und Wasser nur in seiner trinkbaren Form zu akzeptieren. Er war auf dem Marktplatz aufgetaucht, ohne daß jemand hätte sagen können, wie er durch das Tor gekommen war; er mochte von einem Engel des Herrn in einer unbeobachteten Ecke abgestellt worden sein – oder die Nacht an einer Hausecke in der Kotrinne verbracht haben, wo ihn die Nachtwache für einen besonders großen Misthaufen gehalten und übersehen hatte. Seinem Geruch nach hatte die zweite Theorie etwas für sich. Er stand neben dem Verkaufskarren eines Bauern und hatte eine kleine Menschenmenge um sich versammelt. Der Bauer wußte nicht, ob er sich über die Aufmerksamkeit freuen sollte, die der Prophet erzeugte, oder ob er ihn seines zum Himmel aufsteigenden Gestanks wegen verjagen sollte.
    »Der Himmel tut sich auf«, schrie der Prophet, »und ein weißes Roß zeigt sich; auf dem Roß aber sitzt der König der Treue und der Wahrhaftigkeit, und er wird Krieg führen gegen alles Unrecht, gegen das Tier und seinen falschen Propheten und gegen die siebenköpfige Hure, die sich am Blut der Heiligen labt. Feuer flammt in den Augen des Königs; er führt die Heere des Himmels an, um dieVölker zu schlagen; er gießt den Zorn Gottes über die Sünder. Die Vögel schwingen sich aus den Wolken herab und fressen das Fleisch der Heerführer, der falschen Könige und der Helden, fressen das Fleisch der Pferde und ihrer Reiter, fressen das Fleisch der Freien und der Sklaven, der Großen und der Kleinen, und des Gejammers wird kein Ende sein.«
    Dein Fleisch werden sie zuletzt fressen, dachte der Bauer. Wenn ihnen gar nichts anderes mehr übrigbleibt. Er verzog den Mund, aber noch während er seinen Gedanken zu Ende dachte, kam ihm in den Sinn, daß der Mann neben seinem Karren tatsächlich ein vom Herrn gesandter Bote sein könnte. Der Herr hört meine Gedanken , erschrak er. Ich lästere den Gesandten des Herrn. Er bekreuzigte sich und schickte ein rasches Stoßgebet an die gütige Mutter Gottes, daß seine Blasphemie unbestraft bleiben möge.
    Der Prophet zerrte die Fetzen seines Obergewandes beiseite und offenbarte einen eingefallenen Brustkorb; mit beiden Fäusten schlug er sich dagegen. Die zuvorderst Stehenden wichen sicherheitshalber ein paar Schritte zurück. »Nackt und bloß stehe ich unter euch und bezeuge, was ich gesehen habe. Die Menschen werden sich die Haut in Fetzen reißen und sich peitschen, bis das Blut ihnen über den Leib rinnt. Die Pharisäer werden auf diejenigen zeigen, die anders als sie sind und rufen: Ihretwegen ist Gott erzürnt!, und sie werden ihnen die Knochen zerschlagen, weil sie nicht sehen, daß Gottes Zorn sich gegen sie selbst richtet. Zuletzt werden sie diejenigen packen, die ihnen die Wahrheit verkünden, und auf ihren Plätzen den Tieren zum Fraß vorwerfen. Dann wird der Drache sich erheben, weil er das Blut der Unschuldigen riecht, und seine Scharen um sich sammeln für das letzte Gefecht. Unwetter werden sichzusammenbrauen, und mit Blitz und Donner wird ein gewaltiges Beben kommen und alle Städte auslöschen, die der Hure dienen.«
    Er holte pfeifend Atem und legte sein Gesicht plötzlich in verklärte Falten. »Der König aber«, fuhr er fast entzückt fort, »der König der Wahrhaftigkeit, der Mann mit dem Richterschwert, der Herrscher der Endzeit: Er wird den Drachen überwältigen und ihn in den Abgrund stoßen und dort binden für tausend Jahre; dann aber wird er sich umdrehen, und es wird ein Thron bereitstehen. Der sich auf den Thron setzt, wird die Herrschaft antreten über die Auferstandenen und diejenigen, die sich nicht der Gefolgschaft des Tieres verschrieben haben, und er wird herrschen für tausend Jahre, und alle Menschen werden Priester Gottes und Christi sein.«
    »Genau! Es lebe Kaiser Frederico!« brüllte ein Mann in der Nähe des Bauern. Einige Gesichter wandten sich ihm überrascht zu. Der Mann trug eine Tunika mit einem Wappen, das dem Bauern vage bekannt erschien, über einem ledernen Hemd; seine Beine steckten in hohen Stiefeln. Zwei weitere Männer in der gleichen Aufmachung standen neben ihm. Auf den zweiten Blick fiel dem Bauern auf, daß sie kurze, leere Scheiden an den Gürteln hängen hatten. Das Marktgesetz verbot das Tragen von Waffen auf dem Markt.
    »Sei
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