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Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser

Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser

Titel: Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser
Autoren: Richard Dübell
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still, Fulcher. Was soll denn das?« sagte einer seiner Gefährten. Fulcher grinste über das ganze Gesicht. »Wir feuern die Leute mal ein wenig an. Mach mit, Rasso! Du auch, Liutfried.« Jetzt erinnerte sich der Bauer, wem das Wappen gehörte: dem kaiserlichen Kanzler und Großhofrichter, der sich seit einigen Tagen in Köln aufhielt. Die drei schienen zu seinem Troß zu gehören.
    Rasso grinste nach kurzem Zögern ebenfalls. Als Fulcher den Mund öffnete, stieß er die Faust in die Luft und fiel mit ein: »Es lebe Kaiser Frederico!«
    Die Menge blieb stumm. »Was ist denn, ihr Stockfische?« rief Fulcher lachend. »Lassen wir den Kaiser hochleben!« Liutfried verzog das Gesicht. »Seht Euch mal die Burschen da drüben an«, sagte er halblaut.
    Der Bauer sah mit hinüber: auf vier Männer mit den Mänteln und Stöcken von Pilgern. Die Mäntel sahen neu und teuer aus und keinesfalls so, als hätten sie eine strapaziöse Reise hinter sich. Er sah, wie sie Rasso, Fulcher und Liutfried mißbilligend musterten und untereinander Blicke austauschten. Von den anderen Marktbesuchern rief einer plötzlich: »Willst du uns ankündigen, was geschehen wird, oder erzählst du uns nur den Alptraum, den du hattest, als du einmal in dein eigenes Hemd hineingerochen hast?«
    Der Prophet achtete weder auf den Rufer noch auf das Gelächter, das sich erhob. Er starrte um sich und schien sich zu sammeln. »Rettet euch!« schrie er dann mit höchster Lautstärke, so daß einige zusammenzuckten. »Hört auf, die Hure anzubeten, die sich betrunken auf dem scharlachfarbenen Tier windet. Die Zeit ist fast abgelaufen, die euch noch bleibt. Das tausendjährige Reich steht vor der Tür!«
    Ein Großteil der Menge verließ den Propheten kopfschüttelnd; einige wenige blieben zurück und betrachteten die zerlumpte Gestalt, manche mit furchtsamen Gesichtern, manche mit fröhlichem Grinsen. Der Bauer wählte eine kleine holzige Rübe aus seiner Ladung aus, um sie dem Propheten auszuhändigen, wenn dieser zu betteln anfinge; aber der Prophet stand nur um Atem ringend auf seinem Platz. Die vier Männer mit den Pilgermänteln begannenerregt zu diskutieren; schließlich wandten sie sich an die Menschen, die zurückgeblieben waren, und schienen sie zu befragen. Die meisten der Befragten zuckten mit den Schultern und winkten ab. Fulcher, Rasso und Liutfried, die ein paar Schritte beiseite getreten waren, beobachteten sie mißtrauisch. Zuletzt stellte sich einer der Pilger neben den Propheten, ohne auf dessen Geruch zu achten, und hob beide Hände.
    »Brüder und Schwestern«, rief er. »Hört nicht auf diesen Menschen; er selbst ist ein falscher Prophet. Hört nicht auf diesen Verführer, der euch glauben machen will, er habe den Beginn des Zeitalters unseres Herrn heraufdämmern sehen. In Wahrheit ist es Satan, den er ankündigen will, und er will die Ketten sprengen, die ihn für sieben mal sieben Generationen in den Abgrund fesseln: Satan, der als finsterer König wiederkehrt und dessen Verkünder, der Antichrist, schon jetzt Krieg führt gegen die christlichen Städte und den Heiligen Vater in Rom, sich mit schwarzen Heiden, Zauberern und Hexen umgibt und unheilige Experimente an gläubigen Märtyrern durchführt, bis deren Blut zum Himmel schreit.«
    Als der Bauer sah, wie sich der Pilger nach seiner Rede vorsichtig umblickte, wohl weil er Würfe mit faulem Obst befürchtete, wurde ihm klar, daß dieser seine kleine Rede nicht zum erstenmal auf einem öffentlichen Platz gehalten hatte – und daß ihm in anderen Städten bei dieser Gelegenheit schon manches um die Ohren geflogen war. Wenn schon die Routine, mit der er sich Aufmerksamkeit verschafft hatte, dafür sprach, dann noch mehr, daß er weder einen roten Kopf bekam noch zu stottern anfing, so wie es dem Bauern erging, wenn er seinem Grundherrn erklären sollte, wie hoch der Ernteertrag der letzten Saison gewesen war. Nun, es flog kein faules Obst. Den Gesichtern der Zuhörer war zu entnehmen, daß sie den einen Redner ebensowenig ernst nahmen wie den anderen. Die drei aus dem Troß des Kanzlers bildeten allerdings eine Ausnahme. Tatsächlich wollte es scheinen, als habe der Redner ganz speziell zu ihnen gesprochen, um sie zu reizen. Sie hatten die Fäuste geballt; Fulchers Gesicht war rot vor Zorn.
    »Geht fort und reinigt euch von euren Sünden, denn Gott der Herr sieht auf euch, und die sind ihm ein Graus, die ihr Gehör dem Auswurf der Unterwelt leihen. Glaubt an Papst Innozenz, den
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