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Sommer

Sommer

Titel: Sommer
Autoren: Rainer Maria Rilke
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Sommer

    … Und vor sich, den Sommer.
    Nicht nur die Morgen alle des Sommers –, nicht nur
    wie sie sich wandeln in Tag und strahlen vor Anfang.
    Nicht nur die Tage, die zart sind um Blumen, und oben,
    um die gestalteten Bäume, stark und gewaltig.
    Nicht nur die Andacht dieser entfalteten Kräfte,
    nicht nur die Wege, nicht nur die Wiesen im Abend,
    nicht nur, nach spätem Gewitter, das atmende Klarsein,
    nicht nur der nahende Schlaf und ein Ahnen, abends …
    sondern die Nächte! Sondern die hohen, des Sommers,
    Nächte, sondern die Sterne, die Sterne der Erde.
    O einst tot sein und sie wissen unendlich,
    alle die Sterne: denn wie, wie, wie sie vergessen!
    …
    Werke I (Siebente Duineser Elegie), 709f.
    D enn was hier sich begiebt ist, weiß Gott, seit drei, vier Tagen kein Frühling mehr, ist dichter, junger Sommer. Die Hiacynthen in meinem kleinen Beet, die lange gezögert haben, reißen ihre Blütenaugen auf wie einer, den ein Wecker aufhämmert, und stehen schon ganz lang und aufrecht da. Die Ulmen und Eichen bei meinem Hause sind voll, der Judasbaum blüht ab und alle seine Blätter sind über Nacht fertig; und ein Syringenbaum, der vor drei Tagen erst seine Trauben ausstreckte, ist schon im Welken und Verbrennen. Die Nächte sind kaum mehr kühl und der geschäftige Lärm der Frösche ist ihre Stimme. Die Eulen rufen seltener und die Nachtigall hat noch immer nicht begonnen. Ob sie nun noch singen wird, da es Sommer ist?
    Sommer in Rom. Das ist eine neue Noth. Ich glaubte ihn noch fern und sehnte mich danach, jetzt, wenn meine Mutter wieder abgereist sein wird, noch ein bis zwei nicht zu drückende Arbeitsmonate zu haben. Und ich hoffe noch immer, daß das möglich ist, daß es doch noch wieder Frühling wird nach ein paar Probe-Sommertagen.
    Andreas-Salomé (15. 4. 1904), 147
    S chon bricht das Glück, verhalten viel zu lang,
höher hervor und überfüllt die Wiese;
der Sommer fühlt schon, der sich streckt, der Riese,
im alten Nußbaum seiner Jugend Drang.
    Die leichten Blüten waren bald verstreut,
das ernstre Grün tritt handelnd in die Bäume,
und, rund um sie, wie wölbten sich die Räume,
und wieviel morgen war von heut zu heut.
    Werke II , 163f.
    P aris hat schon den Sommer angefangen: so geschlossen und voll sehen schon die Gärten aus. Und ich freue mich, alles zu sehen, und man kann kaum sagen, daß es ein Wiedersehen ist: so neu und ganz sind wieder die Anforderungen, die alles an einen stellt.
    Vollmoeller(11. 5. 1908), 32
    – V ergaßest du's von einem Jahr zum neuen,
wie Rosen duften? Wirst du's jetzt behalten?
– Ach wer hält Düfte, wo doch selbst Gestalten
an uns verfließen, während sie uns freuen.
    Ich bin! So rufts vom Willigen und Nahen.
Ich bin! antwortet ihm aus uns ein Schrein,
doch als wir dann an uns vorbeigeschahen
wo war der Seiende? Wo war das Sein?
    Nur Götter sind. Durch ihre Spiegel ziehn
wir vor dem Hintergrund von Tier und Pflanze
    Werke II , 476
    Wilder Rosenbusch
    W ie steht er da vor den Verdunkelungen
des Regenabends, jung und rein;
in seinen Ranken schenkend ausgeschwungen
und doch versunken in sein Rose-sein;
    die flachen Blüten, da und dort schon offen
jegliche ungewollt und ungepflegt:
so, von sich selbst unendlich übertroffen
und unbeschreiblich aus sich selbst erregt,
    ruft er dem Wandrer, der in abendlicher
Nachdenklichkeit den Weg vorüberkommt:
Oh sieh mich stehn, sieh her, was bin ich sicher
und unbeschützt und habe was mir frommt.
    Werke II , 164f.
    É té: être pour quelques jours
le contemporain des roses;
respirer ce qui flotte autour
de leurs âmes écloses.
    Faire de chacune qui se meurt
une confidente,
et survivre à cette sœur
en d'autres roses absente.

    [Sommer: für ein paar Tage der Zeitgenosse der Rosen sein; atmen, was um ihre aufgeblühten Seelen schwebt.
    Aus jeder, die dahinstirbt, eine Vertraute machen und diese abwesende Schwester in anderen Rosen überleben.]
    Gedichte in französischer Sprache, 120f.
    Das Rosen-Innere
    W o ist zu diesem Innen
ein Außen? Auf welches Weh
legt man solches Linnen?
Welche Himmel spiegeln sich drinnen
in dem Binnensee
dieser offenen Rosen,
dieser sorglosen, sieh:
wie sie lose im Losen
liegen, als könnte nie
eine zitternde Hand sie verschütten.
Sie können sich selber kaum
halten; viele ließen
sich überfüllen und fließen
über von Innenraum
in die Tage, die immer
voller und voller sich schließen,
bis der ganze Sommer ein Zimmer
wird, ein Zimmer in einem Traum.
    Werke I , 622f.
    Die
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