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Der Infekt

Der Infekt

Titel: Der Infekt
Autoren: Uwe A. O. Heinlein
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sie liebevoll. »Wie spät ist es eigentlich?«
    »Weiß nicht genau. So gegen halb acht, glaube ich.«
    »Morgens oder abends?« fragte Jeanne.
    »Vermutlich morgens«, gab Green zurück, »denn in der Küche läuft die Kaffeemaschine, und die Toasts verbrennen. Keinen Hunger?«
    »Doch, wie eine Löwin! Auf geht's, Lover! Ich werde heute noch in der Redaktion erwartet!«
    Sie schlang die Arme um seinen Hals und ließ sich von ihm in die Küche tragen. Als er sie auf dem Stuhl absetzte, fragte sie spitzbübisch lächelnd: »Meinst du nicht, wir sollten uns was überziehen? Die Toastkrümel können ganz schön pieken!«
    »Sehr wohl, gnädige Frau«, grinste Green und holte zwei Morgenmäntel. »Darf ich Ihnen in den Mantel helfen?«
    »Freilich, mein Lieber, Sie helfen mir ja auch dauernd heraus.« Sie legte ihre Handflächen an seine Wangen, drückte ihm einen Kuß auf die Nase und fragte: »Hast du mich denn auch ein wenig lieb?«
    Green nickte. »Sicher, dich habe ich auch ein wenig lieb!«
    »Ekel!«
    Statt einer Antwort angelte sich Green eine der gebräunten Weißbrotscheiben aus dem Toaster und zerbröselte sie auf Jeannes Teller. Dann malte er mit dem Zeigefinger ein Herz in die Krümel und setzte sich ihr gegenüber.
    »Jetzt mal was ganz anderes – wann will Angela eigentlich abfliegen? Ihr habt mir bisher nur gesagt, daß sie die Tickets nach New York kaufen will.«
    Jeanne befeuchtete mit der Zunge genüßlich die Kuppe ihres rechten Mittelfingers und tupfte damit die Toastfragmente innerhalb des Herzens auf. »Ich denke, ihr fliegt heute noch. Die Maschine geht, glaube ich, um 15 Uhr.«
    Green fiel fast die Kaffeetasse aus der Hand. »Seid ihr noch zu retten? Ich muß vorher noch zu Abbott und packen und so weiter!«
    Jeanne amüsierte sich köstlich. »Ja, es wird Zeit, daß du in die Gänge kommst. Es wird ziemlich knapp werden.«
    »Ich brech zusammen!« Green nippte noch einmal am Kaffee und erhob sich dann hektisch. »Langsam verstehe ich auch, wie der Mann an die vielen Antwortbriefe gekommen ist.«
    Jeanne blickte verständnislos zu ihm auf. »Mann? Antwortbriefe? Was erzählst du denn da?«
    Green erhöhte durch drei langsame Rückwärtsschritte den Sicherheitsabstand, bevor er antwortete. »Na, da hatte einer eine Heiratsannonce aufgegeben. Ganz einfach. ›Suche Frau‹.«
    Jeanne guckte ziemlich mißtrauisch. »Und?«
    Green redete mit ausdruckslosem Gesicht weiter. »Er erhielt innerhalb von einer Woche sage und schreibe einhundertundzwanzig Antwortbriefe. Es stand in jedem dasselbe drin.«
    »Was?«
    »›Sie können meine haben!‹« Er flüchtete mit einem großen Satz vor einem tieffliegenden Marmeladentoast in Richtung Badezimmer.
    Wenig später, nach einem zärtlichen Abschied, war Green schon auf dem Weg ins Büro, als ihm plötzlich einfiel, daß er vor dem Gespräch mit dem Chef noch einige Erkundigungen einziehen wollte. Er bog in die Sussex Gardens ein, umrundete Hyde Park und Kensington Gardens und lenkte den Wagen auf den Institutsparkplatz des Imperial College of Natural Sciences . Kurz darauf klopfte er an die offenstehende Tür eines mit Geräten vollgestopften Labors im Biochemistry Department. Inmitten des Durcheinanders studierte ein etwa vierzig Jahre alter Mann mit schütterem Haar und blassem Teint einige handschriftliche Aufzeichnungen. Als er von seinem Notizblock aufsah, ging ein Ausdruck freudigen Erkennens über sein Gesicht.
    »Idwood – Idwood Green. Alter Junge! Was treibt dich denn hierher?«
    »Hallo, Sam! Wie immer den Geheimnissen der Natur auf der Spur?«
    »Klar, Mann«, antwortete Samuel O'Brien, »seitdem du mich verlassen hast, muß ich ja alles alleine machen!«
    Vier Jahre lang hatten sie zusammengearbeitet, Glykosylierungsstudien an synthetischen Peptiden betrieben, viel Spaß gehabt, viel Bier getrunken und endlich auch noch zusammen promoviert. Ihr Abschied allerdings war nicht besonders zärtlich ausgefallen. O'Brien wollte Greens Entscheidung nicht akzeptieren, zum Secret Service zu wechseln.
    »Ins Lager der kalten Krieger willst du wechseln, Idwood?« Fast hätte er ihm deswegen die Freundschaft aufgekündigt. Immerhin hatten sie weiterhin losen Kontakt gehalten. Etwa einmal im Jahr trafen sie sich, suchten eine Bar heim und schwelgten in den zahlreichen gemeinsamen Erinnerungen. Green wußte deshalb auch, daß sich O'Brien inzwischen zu einer internationalen Koryphäe auf seinem Forschungsgebiet gemausert hatte. Wenn irgendwo auf der Welt
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